Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 6.
206 : Der Spiegel der Seele.
ſprochene unbezähmbare Menſchenhaß, der Grimm gegen ſeinen mächtigeren ungeſfiederten Konkurrenten. Ein ganzer Schah von Liebenswürdigkeit iſt uns dagegen erſchloſſen in den munteren Geſellen, den Singvögeln; în ihren Aeuglein ſehen wir Schüchternheit und Vertraulichkeit häufig im Kampfe. Jungfräuliche Schüchternheit fpricht fich im Auge der Taube, dumme Eitelkeit in dem des Pfauen aus, während der von dem ſtolzen Kamm beſchat= tete Bli> des Truthahns ein Gefühl von wohlbewußter Würde ausſtrahlt. Das Auge der Säugethiere iſt von Augenwimpern und theilweiſe au< von Augenbrauen bez ſchattet. Wie erhöhen niht die Augenbrauen das Mienen= ſpiel des Affen , wie verfinſtert er dur ſie ſein Auge, wenn dex Zorn ihn pa>t! Und welche Majeſtät hat dex Bli des Löwen, des Königs der Thiere; es liegt, wenn ex uns fixirt, etwas wahrhaft Niederſchmetterndes in ſei= nem Blicke. Dagegen wird no<h kein Auge die hingebende Treue beſſer auêgeſprochen haben, als das des Hundes. Während das Schaf einen bornixt unſchuldigen Bli> zeigt, verräth das Auge des Schweins den eigenſinnigen,- jeder Kultux unzugänglichen Cyniker. Das Auge des „Meiſter Neineke“ bietet das Bild der verſchlagenſten Bosheit; das große vunde und hervorſtehende Auge des harmloſen „Lampe“ hingegen, das wimpernlos au< im Schlafe offen bleibt, zeigt die größte Schüchternheit, und wenn ein Dichter ſeine Geliebte wegen ihrer frommen treuen Rehaugen preist, ſo wird ex dieſes Thieres Augenausdru> wohl richtig be= zeichnet haben. Jn erſter Linie ſind es die arabiſchen Poeten, welche das Auge des Rehes, der Gazelle und des