Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 7.
Roman von Adolph Streckfuß. SS
zwei Jahren, als Eliſe ſich ſo ſchnell die Liebe Kſara’s zu gewinnen vermochte, das erkannte ex auh heute wieder, als fie ihn aufſuchte in dieſer ſchweren Stunde. Sie fam, das fühlte er, getrieben von dem Drange des Herzens, umn ihm mit mildem Troſtwort in- ſeinem Schmerz- zur Seite zu ſtehen. Er wax nicht erſtaunt darüber, daß ſie ſo plößlih vor ihm ſtand, es erſchien ihm ganz natürlih, daß ſie fam, daß ſie ſi neben ihn ſebte, daß ſie mit ſanftem Dru ſeine Hand erguiffff.
Eine Thräne umflorte ſein Auge.
„Sie iſ von uns geſchieden,“ fagte er leiſe, „fern von uns ift ſie geſtorben, einſam und verlaſſen in ihrem lebten Augenbli>e. “ ]
„Aber mit einem Lächeln auf den Lippen iſt ſie ge-= ſtorben,“ erwiederte Eliſe, „der Onkel Saſtrow hat es mir geſchrieben, vor einer Stunde habe ih den Brief bekommen. Mit einem Lächeln auf den Lippen fonnte ſie ſcheiden, denn der Friede war eingezogen in ihre Seele, ſie hatte ihre lebte Kraft verwendet, um eine Pflicht zu erfüllen, und das Be= wußtſein dieſer Pflichterfüllung machte ſie glü>lich, ſie konnte lächeln, als ihr Auge ſi< zum lezten Schlummer [{<loß.“
Wangen antwortete nicht, ſchweigend überreichte er Eliſe den Brief Bextha/s, dieſen Brief, der für ihn ein Heilig= hum war, er hätte Niemand geſtattet, ihn zu leſen; aber Eliſe fühlte mit ihm, Eliſe theilte ſeine Trauer, ſie durfte Bertha?'3 lehtes Wort hören. Es exfüllte ihn mit ener ſüßen Genugthuung, als er ſah, daß aus Cliſens Auge, während ſie las, eine Thräne ſich löëte und niedexſiel auf das Papier.