Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 7.

56 Klippen des Glüs,

„Können Sie ihr na<h dieſen Worten -no<h zürnen?“ fragte Wangen, als Eliſe den Brief ſinken ließ.

i „Zh habe ihr niemals gezürnt, ih habe die Unglüc= liche nux bedauert. Jebt betrauere ih ſie; aber ih bedauere ſie niht mehr, denn in ihrer leßten Stunde hat ſie ſich erhoben zum höchſten Glück, zu dem Bewußtſein, eine Pflicht erfüllt zu haben.“ ]

„Sie iſt von mir geſchieden für immer! J< könnte den Gedanken niht ertragen, wenn niht ein einziger ſüßer Troſt mich erfüllte, ih werde thr bald folgen.“

Ein ernſter, mißbilligender Blik war die Antwort Eli= ſens. Sie entzog Wangen thre Hand.

„So follten Sie nicht ſprechen,“ ſagte ſie vorwuxfsvoll, „Sie haben kein Recht, auch nux einen ſolhen Gedanken zu hegen! Als Bertha mit zitternder ſhwacher Hand Jhnen dieſen Brief ſchrieb, da war ſie beſeelt von dem glühenden Wunſche, die traurige Vergangenheit zu ſühnen. Hätte ſie ahnen können, daß dieſer Brief Sie mit ſo verzweifelten Gedanken erfüllen würde, ſie hätte ihn ſicherlih niht ge= ſchrieben, ihre leßte Stunde wäre ihr durch den tiefſten Schmerz verbittert worden. Nein, theurer Freund, Sie dürſen ſih nicht dieſer kÉleinlichen Verzweiflung hingeben ; Bertha’s Brief legt Jhnen die Pflicht auf, mannhaft zu kämpfen gegen den Schmerz, der Sie erfüllt, der Sie aber niht überwältigen darf. Sie haben kein Recht, lebens= müde zu ſein, denn Jhnen liegt die Erfüllung Heiliger Pflichten ob. Haben Sie vergeſſen, was Sie einſt Jhrer ſterbenden Mutter gelobt haben? Sie haben verſprochen, Klara ein treuer, liebevoller Bruder zu ſein, ihr den Vater