Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 1.
Novelle von Schmidt-Weißenfels. 181
welche ihre Anweſenheit während der Verleſung unter= Halten mußte.
Der Juſtitiar nahm haſtig ſeine Brille hervor und überflog dann, ſeine Augen damit bewaffnend, ebenſo neu= gierig als vorſichtig, um den Jnhalt einer ernſten Prüfung zu unterziehen, die zwei Briefe in ſeiner Hand.
„Was? Was?“ entfuhr es ihm darüber vor höchſter Neberraſchung. „So etwas — nein, ſo etwas iſt no< niht dageweſen! Nun, facta justitia! Da oder hier! Abex wel<? ein Fall |“
Er fühlte, daß er unberechtigt die in Spannung ſeiner Vorleſung Harrenden auf die Folter ſpannte, und nachdem er no< einmal einen Amtsbli> auf die Schriften geworfen, begann er daher die eine, die ihm als die zur Exrflä= rung nöthigſte erſchien, mitzutheilen.
„Liebe Toni!“ lautete dieſer Brief von Arnold. „Seit heute früh ſuche ih na< Faſſung, um Dix ein Creigniß zu melden, das Dich arme, furchtbar geprüfte Frau am nächſten berührt und womit mi<h der Zufall bekannt ge-= macht hat. Meine Feder ſträubt ſich dagegen und doh muß ih aus Pflicht und Gewiſſen diefes Ereigniß Dix berich= ten. Vernimm mit Muth, was ih erzähle, daß Gott mik dieſem ſchre>li<hen Vorfall es doh gut mit Dix im Sinne gehabt, inſofern nunmehr die unſelige Verkettung Deines Lebens mit einem ſcharfen Schnitte gelöst iſt. Weiter wage i< niht, mi<h jet über eine Geſchichte auszulaſſen, die Dein entſehliches Geheimniß war und mit der ih hier vertraut werden ſollte, als ihr blutiges Ende ſpielte. Höre nun ſtandhaft darüber und verzeihe mix, daß ih ſo grau-