Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 1.
190 Der Mönch von Antwerpen.
die eminente Begabung Daniel's für Koloriſtifk gar nicht verfennen, und es war daher fein Wunder, daß der junge Seghers recht cigentlich Breughel*s Liebling wurde und bald genug ganz zur Familie deſſelben zu gehören ſchien.
Dex berühmte Sammet=Breughel war ſeit einigen Jahren zum zweiten Male verheirathet; von ſeiner erſten früh ver= ſtorbenen Gattin Zſabella hatte er nur ein einziges Töchter= chen Claixe, die etwa act Jahre zählte, als Daniel Seghers in das Haus fam. Es wax niht gerade ſchwer zu bemexr= fen, daß Claire mütterliche Aufficht und Erziehung niht genoſſen hatte; ſie war wie eine Feldblume aufgewachſen, ein Naturkind, das bald genug mit der ſtrengen Stief= muttex in Unfrieden und Streit gerieth. Claire wich deS= halb, ſo viel ſie konnte, der Mutter aus und ſ{<loß ſi< um ſo enger an den jungen Daniel an, der ihx Bilder malte, Blumen pflli>te, und mit dem ihr launenhaſtes Köpfchen machen konnte, was ſie wollte. Daniel ſelbſt blieb viel länger Kind, als ſeine Alter3genoſſen, mit denen er nie in Verkehr getreten war, denn wenn er drinnen im Atelier nichts mehr zu thun fand, war der anſtoßende Blumengarten das Feld ſeiner ſtillen Thätigkeit, und ex fand ſie reich belohnt, wenn er Claire ſeine duftenden, farbenprächtigen Lieblinge zeigen und ihr den Bau und die Schönheit derſelben erklären konnte.
Das junge Mädchen war ſo ſechzehn Jahre alt geiwor= den, als es Frau Breughel für ſchi>lich fand, ſie für einige Zeit aus dem elterlichen Haufe zu ſchi>en, um im Hauſe ihres Verwandten, des Bürgermeiſters von Gent, ihre Er= ziehung vollenden zu laſſen.