Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 13.

218 S{hlangen- und Menſchengiſt.

zählen. Ein franzdfiſcher Chirurg, Figuier, wollte nämli< mehrere Male Schlangen getödtet haben, indem er einen Stein oder Sto mit ſeinem Speichel benebte und der Schlange damit einen Hieb verſeßte; Voltaire, der übrigens dem menſchlichen Speichel die Kraft zu tödien niht ab= ſprechen will, bemerkt zu dieſem Experiment ſpöttiſch, daß ein wohlgezielter Hieb au< wohl ohne Speichel eine Schlange zu tödten geeignet ſei.

Der Erſte, welcher den überlieferten und immer wieder fritiflos abgeſ<riebenen Angaben der ehrwürdigen Autori= täten des „grauen“ Alterthums auf dem Wege des Ver= ſuches auf den Grund zu kommen beſchloß, war Franceêco Redi, der im 17. Jahrhundert am Florenzer Hofe lebende Leibarzt des Großherzogs von Toskana, ein Gelehrter, deſſen Arbeiten ſih mit Vorliebe auf die Schlangen und deren Gift erſtretten. Sechs gefangen gehaltenen, kräftigen Vipern flößte er vierzehn Tage hindurch jeden Morgen den Speichel nüchterner Pexſonen ein, und wiederholt auh beneßle er dieſelben äußerlich mit Sekret : ſämmtliche Schlangen ſtarben jedo<h nicht, ebenſo wenig wie die Skorpione, welche Redi eine Woche lang mit menſchlihem Speichel bededen ließ. Troß allem Reſpekt vor Galenus konnte Redi infolge dieſer ernüchternden Experimente an den ſeit zwei Jahrtauſenden überlieferten Erfahrungen niht mehr feſthallen. „Wenn das Experiment wirklich ſtattfand,“ meinte ex mit Nü>ſicht auf Galen, „ſo muß ein ſtarker Fehler dabei untergelaufen ſein, ſo daß der Sforpion nicht dur< menſchlichen Speichel, ſondern durch Zufall feinen Tod gefunden hat.“