Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 2.

62 ‘Der ‘Zalisman-des Meibes.

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Ín der Frühſlunde ‘des fünften Tages, als das Leben Meiſchi>s in der äußerſten Gefahr ſchwebte, rollte ein Wagen im ſchärfſten Trabe dux<h die ſ{lummertrunkenen Straßen Siltlingens. Vor des Amtsrichters Hauſe hielten die ſhnaufenden Noſſe an. Der Schlag wurde herabgeriſſen, eine verhüllte Frauengeſtalt ſprang energiſch zur Erde.

Droben erſchien Margarethens überwachtes Antliß for= ſchend an den Scheiben.

„Tante Käthe!“ ſ<rie ſie in Angſt und Jubel auf. „Tante Käthe!“ und ſtürzte die Stufen hinunter und in die ausgebreiteten Arme der hochgewachſenen Frau, welche ſich liebevoll über das Haupt ihres Schüßlings neigte.

„Gott zum Gruß, mein Kind!“

Margarethe ſ<hmiegte ſich feſt, als ſei nun Alles gut, an die Bruſt der Stifsdame. „Noch lebt ex, Tante Käthe!“

„Dann laß mi< ſelbſt ſehen, Kind!“

Während Beide Hand in Hand die Treppe empor= ſtiegen, ſprach ſie mit tiefer, ſonorer Stimme, deren Klang allein ſhon beruhigend wirkte, von Gretchens allzu flüchtig abgefaßtem Schreiben, von ihren Beſtrebungen , ſih eher ſo8zureißen, und von dem Schne>engang der Fahrgelegenheit.

„BDben wären wix nun, Kind. Führe mich zuerſt in mein Zimmer und melde mi< dann dem Doktor an.“

Als ſie allein war, legte Tante Käthe einen Moment nachſinnend die Hand vor -die Augen, wie um ſich für die tommenden Eindrücke vorzubereiten. Wie ſie jet daſtand, war ſie das Bild majeſtätiſcher Würde, und Niemand hätte geglaubt, welche luſtigen Funken ihrem Geiſt, welche treffen=

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