Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 2.
Roman von Georg Hartwig. 73
Es klopfte energiſch. Doktor Siemrich öffnete die Thüre mit der Vehemenz eines gelinden Orkans. Fhm folgte eine zweite Perſönlichkeit, welche in dem Rufe einer medi= ciniſchen Autorität ſtand und den Anweſenden als Proz feſſor Haßlinger vorgeſtellt wurde. x
„Denken Sie,“ rief der kleine Doktor und ſchlug ſich vor Vergnügen in die Hände, daß es laut ſchallte, „da ſchreibt mir mein alter Studienfreund Haßlinger, er werde heute in der nächſten Kreisſtadt beſchäftigt ſein. Das konnten wir uns nicht entgehen laſſen, wie?“ Ex richtete feine funkelnden Brillengläſer zuerſt auf Tante Käthe, ſodann auf Dreyſing, zuleßt triumphirend auf Meiſchi>. „Wie? Wa3? Jh bat ihn alſo, ſeine Juſpektionsreiſe bis hierher au2zudehnen und mit mix zu berathen, wohin wix unſeren Patienten den Sommer über zu ſchi>en haben. Wie?“
Das Reſultat dieſer Konſultation ſtimmte alle frohen Hoffnungen bedenklich herab. Der Profeſſor erklärte den
linken Lungenflügel für ſehr angegriffen, überhaupt Meiz
ſchi>s ganze Körperkonſtitution für hinfällig genug, um eine ſo ſichtbare Nervenverſtimmung zu begründen. Er machte es dem Amtsrichter zux ernſten Pflicht, nicht allein die Sommermonate, ſondern zum Mindeſten auch die Hälfte des Winters in San Remo zuzubringen und ſi<h dabei völliger geiſtiger und körperlicher Ruhe hinzugeben. Dieſe leßte Forderung legte er ſpäter beiden Frauen noch beſonders dringlich an's Herz, indem ev auësdrüdälich darauf beſtand, daß Tante Käthe die Reiſe mit ihrem Neffen ge= meinſam unternähme. :