Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 2.

84 Dex Talisman des Weibes,

Nein und abermals nein! Sein ganzes Verhalten Mar-= garethe gegenüber war das Ergebniß dankbarer Anerken= nung, ex liebte ſie wie eine Schweſter. Und ſie? Der Gedanke berührte ihn unbehaglich, daß ſie ihm eine wärmere Neigung entgegenbringen könnte. Und dennoch, wie wohl= thuend hatte ſchon der Ausdru>k ihrer Freundſchaft auf ihn gewirkt! Meiſchi>k ſchalt ſich einen Undankbaren, einen Egoiſten, zugleih durchfuhr ihn die Erinnerung an das ſoeben Vernommene wie éin ſchneidiges Schwert. Mar= garethe, die kindlih Reine, das Opfer ihrer Treue! Mit welcher Miene follte er fortan unbefangen in ihr heiteres Antliß ſchauen, wie die Hand no< zu berühren tagen, welche ſich ihm vertrauensvoll, ahnungslo3 entgegen ſtre>te? Konnte er Zante Käthe’s hoheitêvolle Frauenwürde länger dem niedrigſten Argwohn ausfeßen ? : Ex ſtampfte den Wieſengrund vor Jngrimm. Alles wieder gerſtoben, vernichtet! Nicht dur< Gewalt, ſondern durch ſ<leichende Liſt, die wie ein giftiges Reptil im Finſtern den Boden untergräbt. Und kein Ausweg, kein Mittel, den ungreifbaren Feind übler Nachrede mit Manneskraft zu überwinden! Ein Gefühl der Verzweiflung bemächtigte ſich feiner. Cr fam ſi angeſichts ſeiner Ohnmacht zum erſten Mal bemitleiden8werth vor, und gegen dieſe Er= niedrigung empörte ſich ſein ſtolzes Selbſtbewußtſein. Un= aufhaltſam eilte ex jezt vorwärts, ohne Zwe> und Ziel, in den li<ten Maientag hinein, nux um den inneren Sturm zu dämpfen. Aber immer gleichen Schritt hielt die miß= tönende Mahnung: „Wie willſt Du an Margarethe zurü>= geben, was man ihr um Deinetwillen genommen hat?“

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