Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 6.
Von B. v. Wolfshofer. 223
Jedermann hat Gelegenheit, ſein Auge an der Pracht der Tänze, ſein Ohr an dem Reiz der Rhythmen dieſes Ballets zu weiden, und daher wird eine kurze Geſchichte des Wiener Walzers unſeren Leſern niht unwillkommen ſein.
Der Tanz iſ urſprünglich ein Beſtandtheil des reli= giöſen Kultus. Bei den Opfexfeſten unſerer germaniſchen Vorfahren hat er ohne Zweifel ſeine Rolle geſpielt. Mit dem feierlichen Ernſt, welchen die Feſte des Chriſtenthums beanſpruchten, vertrug ſi<h allerdings der Lanz nicht. Jn demſelben Maße, wie ſi<h deshalb der neue Glaube verz breitete, [öste ſi< nunmehr au<h der Tanz von den Ge= bräuchen des eigentlichen Kultus los. Dafür ſ{<lug ex im Volfsleben um ſo tiefere Wurzeln, und wo es irgend eine Beluſtigung gab, erſcheint er als unzertrennlicher Begleiter derſelben.
So begegnet uns auch der Walzer in ſeinen primitiven, Anſangsſtadien zu allererſt bei den germaniſchen Alpen= völfern. Ex iſt dort niht nux von der Melodie, ſon= dern ſogar no< von einem Text begleitet. Denn ein Volk, welches noh die volle Urſprünglichkeit des Weſens zeigt, will ſeine elementare Freude am Daſein nicht allein dur< eine Weiſe, ſondern auh dur<h das Wort und ſelbſt dur einen beſtimmten Aft der Bewegung zum Aus-= dru> bringen. Allmählig aber wirft, wie der Schmettex= ling die unbequeme Puppenhülle, ſo au<h die Melodie den Text von ſi<h ab, um ſi< dafür den Rhythmen des Fußes um ſo inniger anzuſchließen. So entſtand der moderne Zanz mit ſeinem Reichthum an Weiſen aller Art.
n den ſüddeutſchen Bergen hat ſich jenes Urbild des