Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

98 Erſte Ordnung: Af fen; erſte Familie: Shmalnaſen (Menſchenaf}en).

Vor mehr al3 2000 Jahren rüſteten die Karthager eine Flotte zu dem Zwecte aus, Anſiedelungen an der Weſtküſte von Afrika zu gründen. Auf 60 großen Schiffen zogen Tauſende von Männern und Frauen zu dieſem Behufe von Karthago aus, verſehen mit Nahrung und allen zum Wirtſchaften dienlihen Gegenſtänden. Der Befehlshaber dieſer Flotte war Hanno, welcher ſeine Reiſe in einem wohlbekannten Werke (dem „„Periplus Hannonis“) der damaligen Welt beſchrieb. Jm Verlaufe der Neiſe gründete die Mannſchaft jener Schiffe ſieben Anſiedelungen, und nur der Mangel an Nahrungsmitteln zwang ſie, früher, als man wollte, zurüczukehren. Doch hatten die kühnen Seeſahrer die Sierra Leone bereits hinter ſih, als dieſes geſhah. Jener Hanno nun hinterließ uns in ſeinem Berichte eine Mitteilung, welche au< für uns von Wichtigkeit iſt. Die betreffende Stelle lautet: „Am dritten Tage, als wir von dort geſegelt waren und die Feuerſtröme durchſchifſt hatten, kamen wir zu einem Buſen, das Südhorn genannt. Jm Hintergrunde war ein Eiland mit einem See und in dieſem wieder eine Inſel, auf welcher ſi<h wilde Menſchen befanden. Die Mehrzahl derſelben waren Weiber mit haarigem Körper, und die Dolmetſcher nannten ſie Gorillas. Die Männchen konnten wir niht erreichen, als wir ſie verfolgten; ſie entkamen leicht, da ſie Abgründe dur<hkletterten und ſich mit Felsſtücen verteidigten. Wir erlangten drei Weibchen; jedoch konnten wir dieſelben nicht fortbringen, weil ſie biſſen und kraßten. Deshalb mußten wir ſie tôten; wir zogen ſie aber ab und ſchi>ten das abgeſtreifte Fell nah Karthago.“ Die Häute wurden dort ſpäter, wie Plinius berichtet, im Tempel der Funo aufbewahrt.

Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß Hanno unter den wilden, behaarten Menſchen nur einen Menſchenaffen meinen kann, und wenn er auch vielleicht den Schimpanſen vor Augen gehabt hat, ſind wir doch berechtigt, den rieſigſten aller Affen Gorilla zu nennen.

Der Gorilla, Ndſchina, Nguyala, Mpungu der Eingeborenen (Gorilla gina, Simia, Pithecus, Satyrus, Troglodytes und Chimpanza gorilla, Gorilla und Troglodytes savagei), einziger Vertreter der Gattung Gorilla, iſt faum fleiner, aber bei weiten: breitſhulteriger als ein ſtarker Mann. Laut Owen, der zuerſt eine ausführliche Abhandlung über den Gorilla geſchrieben hat, beträgt nah den von Savage und Du Chaillu eingeſandten Stücken beim Männchen die Höhe von der Sohle bis zum Scheitel 165 m, die Breite von einer Schulter zur anderen 95 cm, die Länge des Kopfes und Numpfes zuſammengenommen 1,08 m, die der Vorderglieder 1,08 m, der Hinterglieder bis zur Ferſe 75 em, bis zur Spize der Mittelzehe aber 15 m, Doch wird es no< größere männliche Gorillas geben, denn von Koppenfels hat die Höhe eines friſch geſchoſſenen zu 1,59 m beſtimmt, und auh N. Hartmann gibt größere Maße an. Die Weibchen ſind kleiner. Die Länge und Stärke des Numpfes und der Vorderglieder, die unverhältnismäßige Größe der Hände und Füße ſowie die dur<h Bindehaut größtenteils vereinigten mittleren Finger und Zehen ſind die bezeihnendſten Merkmäle. Der Umriß des Kopfes bildet von dem ſtark hervortretenden Augenbrauenbeine an nah dem Scheitel zu anfänglich eine etwas eingeſenkte, ſpäter ſanft gewölbte Linie, ſteigt am Scheitel auf und fällt nah dem Naen zu gerade ab. Der Brauenbogen wird dur die aufliegende di>e Haut und ſtarke Behaarung noc weiter vorgerü>t und läßt das niht große, dunkelbraune Auge um ſo tiefer zurücktreten. Die Naſe iſt ſla gedrü>t, in der Mitte der Länge nach eingebuchtet und an ihren Flügeln ſehr verbreitert, tritt aber, der weiten, ſchief nah vorn und oben geöffneten Naſenlöcher halber, an ihrer Spige merklih hervor; ſie liegt in re<t verſchiedenen Abſtänden von den Augen, wodur die meiſten, von ſtruppigem Haar umrahmten Gorillaphyſiognomien ein unleugbares individuelles Gepräge erhalten. Das breite Maul wird dur die Lippen geſchloſſen, welche minder beweglich ſind als bei anderen Menſchenaffen, mehr mit denen des Menſchen übereinſtimmen und ebenfalls auffällige individuelle Verſchiedenheiten zeigen. Das Kinn