Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

XVYTLTL Alfred Edmund Brehm.

Schulter und birſchte in den damals faſt Urwäldern zu vergleichenden Beſtänden in den Thälern der Noda bis zum ſpäten Abend, wobei die Söhne ihn gelegentlich begleiten und

an dieſes Umherſhhweifen in den thüringiſchen Wäldern erinnerte und erzählte, wie er an ſeinem achten Geburtstage ein eigenes Gewehr erhalten und am ſelben Tage ſeinen erſten Vogel, eine Goldammer, erlegt hatte, die dann der Merkwürdigkeit halber ausgeſtopft und der großen Vogelſammlung des Vaters einverleibt worden war.

Dieſe Streifzüge dehnten ſih über ein größeres Gebiet aus, als es jemals ein thüringiſher Privatmann beſchoſſen hat, denn dem weit und breit bekannten, in jedem Forſthauſe freudig willkommen geheißenen Zalten Brehm“ wurde von Privatleuten und forſtamtlihen Behörden gern der Vorzug eingeräumt, ſeine Jagd“ überall unbehindert auszuüben, wußte man doch, daß ſie nicht zu irgend cinem perſönlichen Vorteile, ſondern einzig zum Nuten dex Wiſſenſchaft betrieben wurde. Daß er aber ſeine Söhne ſo früh an Dieſen Streifzügen teilnehmen ließ, erklärt ſich daraus, daß er ſelber von ſeiner früheſten Jugend an Sammler und Vogelliebhaber geweſen war und keinen Nachteil für ſeine Lebensführung dabei entde>t ſondern im Gegenteile gefunden hatte, daß die Beſchäftigung mit den Wundern und Geheimniſſen der Natur das menſchliche Gemüt nur veredeln kann. Übrigens beteiligte er ſih, obwohl an Treffſicherheit niemand nachſtehend, dur<haus niht an Treihjagden und ähnlichen Vergnügungen; ſeine „„Waldſpaziergänge mit der Flinte“ waren, ſelbſt wenn er das Gewehr an die Wange legte, immer nur der Beobachtung ſeiner Lieblinge gewidmet, ſo daß er in ſeinen zahlreichen ornithologiſchen Werken einen Wiſſensſtoff ſammelte, an dem Jahrzehnte gezehrt haben und no< zehren.

In unſeren Tagen, wo eine ſtrengere Richtung wieder vielfah hervortritt / erſcheint ein dem edlen Weidwerk huldigender Landpfarrer allerdings wie eine Geſtalt aus der Vorzeit, und es hat ſeiner Zeit auch keineswegs an ſtrengbli>enden Amtsbrüdern gefehlt, die über die „Allotria““ des alten Herrn Pfarrers von Renthendorf eifrig zu Gerichte ſaßen. Jndeſſen wußten ſeine Gemeindekinder, von denen er zwei Generationen getauft, getraut und zu Grabe geleitet hat, beſſer, was ſie an ihm hatten, und ſie wünſchten ſich keinen anderen Seelſorger als gerade dieſen Mann mit offenem Auge und offener Hand, der die Herrlichkeiten der Schöpfung ſo genau bis in die verborgenſten Winkel hinein ſtudiert hatte und mit kurzen, kräftigen Worten Erbaulicheres und, wo es not that, Tröſtlicheres zu ſagen wußte als mancher ſeiner Amtsbrüder. Er gehörte niht zu denjenigen, welche ſih mit Vorliebe in bibliſchen Wendungen bewegen und die Gottheit beſtändig in die kleinen Angelegenheiten der Menſchen einmiſchen: aber alles was er ſprach und \<rieb, entquoll einer tief religiöſen Grundſtimmung, der die Kenntnis der allwaltenden Natur eine höhere Weihe gab.

Es ift nach alledem fein Wunder, daß dem „jungen Brehm“ der Vater als das Urbild eines e<ten und wahren Prieſters, wie ex ſein ſoll, ſtets vor Augen blieb, und weil er nun bei einer großen Anzahl geiſtlicher Herren nichts von der Milde und Gerechtigkeitsliebe ſeines Vaters und im allgemeinen ſo wenig Ähnlichkeit mit dem Weſen dieſes treuen Beraters ſeiner Gemeinde zu finden vermeinte, ſo erklärt ſih daraus der für einen Pfarrersf\ohn