Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

Wildkatze: Größe. Gewicht. Verbreitung. Gewohnheiten. Leben8weiſe. 419

und auf tro>enen Kaupen in Sümpfen und Brüchen auf. Zu Bau geht ſie beſonders in der kühleren Jahreszeit, während ſie im Hochſommer, vorausgeſeßt, daß ſie niht dur<h ihre Sungen an eine Höhlung gebunden wird, um den ſie peinigenden Flöhen zu entrinnen, lieber ein freies Lager aufſucht oder ſi<h nah hohlen Bäumen zurückzieht.

Wie häufig der gefährlihe Näuber noh in Deutſchland vorkommt, geht aus ſtatiſtiſchen Angaben hervor. So wurden im Fagdjahre 1884/85 in Elſaß-Lothringen 152 Wildkaßen geſchoſſen; und 1885/86 ſind im Königreich Preußen zuſammen 606 Wildkaßen zur Stre>e gebra<t worden, davon die bei weitem meiſten in den weſtlihen Gebieten, im Rheinlande z. B. faſt die Hälfte, nämlih 299 Stü.

Nur während der Nanzzeit oder ſolange die Jungen noh nicht ſelbſtändig ſind, lebt die Wildkaße in Geſellſchaft, außerdem ſtets einzeln. Auch die Fungen trennen ſich bald von der Mutter, um auf eigene Hand dem Wilde nahzuſtreben. „Jh erinnere mich niht“, ſchreibt mir Oberjägermeiſter von Meyerin>, „gehört zu haben, daß man zwei Wildkaßen zuſammen geſehen hätte. Die Kaße wandert, beſonders wenn ſie trächtig geht, jedenfalls ſehr weit umher. Mir ſind zwei Fälle bekannt, daß eine Wildkaße in der Gegend von Neuhaldensleben geſpürt wurde und zwar erſt im Frühjahre. Fedesmal in dem darauf folgenden Winter wurden in verſchiedenen benahbarten Revieren vier Wildkaßen erlegt, ohne daß man von ihnen Kenntnis gehabt hatte.“ Bei dieſen Wanderungen nimmt die Wildkaße ſo gut als ausſhließlih von Fu<hs- und Dachsbauten Beſiß, verſchläft und verträumt in ihnen den Tag und mat ſi< ſo weit weniger bemerkli<h als der Fuchs, auf deſſen Rechnung ihre Unthaten nicht ſelten gebraht werden. „Jn der Leßblinger Heide“, fährt von Meyerin> fort, „wollte ein Förſter einen Fuchs ausgraben, den er im Bau ausgeſpürt zu haben glaubte, obgleih ihm die Fährte eigentümlih vorgekommen war. Der eingelaſſene Dachshund lag feſt im Baue vor; man ſ{<lug endlih dur< und kam nah längerem Graben in der Tiefe von 2 m auf den Hund und das Ende der Röhre. Als man aber mittels des Fuchshakens Freund Reine>e herausholen wollte, kam eine weibliche Wildkaße zum Vorſcheine, welche ſtärker als ein Fu<hs war.“ Fm Winter verläßt ſie niht ſelten den Wald und nimmt in einzeln ſtehenden Gehöften Herberge. Der Lehrer Schach in Nußdorf bei Krimmigßſchau erlegte einen vollſtändig ausgewachſenen, ſehr ſtarken Wildkater, welcher mehrere Tage lang in einer Scheuer dieſes Dorfes ſih aufgehalten hatte. Fn Ungarn ſoll ſie, wie Lenz angibt, im Winter vorzug8weiſe in Gebäuden hauſen.

Mit Beginn der Dämmerung tritt die Wildkaße ihre Fagdzüge an. Ausgerüſtet mit trefflihen Sinnen, vorſichtig und liſtig, unhörbar ſi<h anſhleihend und geduldig lauernd, wird ſie Éleinerem und mittelgroßem Getier ſehr gefährlih. „Jm ſcharfen Äugen ſelbſt bei Nacht, zu welcher Zeit ihre Seher wie brennende Kohlen funkeln“, ſagt Dietrich aus dem Win>ell, „im ebenſo ſcharfen Wittern (?) und im höchſt leiſen Vernehmen wird ſie von keinem Tiere übertroffen“, im unbemerklichen Anſchleichen, beharrlihen Auflauern und ſicheren Springen, füge ih hinzu, gewiß au<h niht. Mit der allen Katen eigenen Liſt beſchleicht ſie den Vogel in ſeinem Neſte, den Haſen in ſeinem Lager und das Kaninchen vor ſeinem Baue, vielleiht auh das Eichhörnchen auf dem Baume. Größeren Tieren ſpringt ſie auf den Nü>en und zerbeißt ihnen die Shlagadern des Halſes. Nach einem Fehlſprunge verfolgt ſie das Tier niht weiter, ſondern ſucht ſi< lieber eine neue Beute auf: ſie iſt auch in dieſer Hinſicht eine e<hte Kaße. Zum Glü> für die Jagd beſteht ihre gewöhnliche Nahrung in Mäuſen aller Art und in kleinen Vögeln. Wohl nur zufällig macht ſie ſih an größere Tiere; aber ſie ſoll thatſähli<h Reh- und Hirſchkälber überfallen, iſt auch für ſolche Beute no< immer ſtark genug. An den Seen und Wildbächen lauert ſie au< Fiſchen und Waſſervögeln auf und weiß ſie mit großer Geſchi>klichkeit zu erbeuten. Sehr ſhädli< wird

ſie in Gehegen, am ſ<hädli<ſten wohl in Faſanerien. Fn Hühnerſtällen und Taubenſhlägen 2E