Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

420 Vierte Ordnung: Raubtiere; erſte Familie: Katen.

günſtig für ſie gelegener Walddörfer macht ſie ebenfalls unliebſame Beſuche; im Jahre 1863 und zwar im Monat Mai wurde ein alter ſtumpfzahniger und ſtumpfklauiger Kater von einer handfeſten, infolge wiederholter Hühnerdiebſtähle mit gerechtem Zorne erſüllten Bäuerin des Dorfes Dörnberg unweit der Lahn elendiglih erſchlagen.

Jm Verhältnis zu ihrer Größe iſt die Wildkaße überhaupt ein gefährliches Raubtier, zumal ſie den Blutdurſt der meiſten ihrer Gattungsverwandten teilen ſoll. Aus dieſem Grunde wird ſie au<h von den Jägern grimmig gehaßt und unerbittlih verfolgt; denn fein Weidmann re<hnet den Nugen, welchen ſie dur< Vertilgung von Mäuſen bringt, ihr zu gute. Wie viele von dieſen ſchädlichen Tieren ſie vernichten mag, geht aus einer Angabe T\<hudis hervor, welcher berihtet, daß man in dem Magen einer Wildkatze die Überreſte von 26 Mäuſen gefunden hat. Die Loſung, welche Zelebor von den von Wildkaßen bewohnten Bauen ſammelte und unterſuchte, enthielt größtenteils Knochenüberreſte und Haare von Marder, Fltis, Hermelin und Wieſel, Hamſter, Ratte, Waſſer-, Feld- und Waldmäuſen, Spißmäuſen und einige unbedeutende Reſte von Eichhörnhen und Waldvögeln. Kleine Säugetiere alſo bilden den Hauptteil der Beute unſeres Raubtieres, und da unter dieſen die Mäuſe häufiger ſind als alle übrigen, erſcheint es ſehr fraglih, ob der Schade, welchen die Wildkage verurſacht, wirklih größer iſt als der Nuten, welchen ſie bringt. Der Weidmann, deſſen Gehege ſie plündert, wird ſhwerlih jemals zu ihrem Beſchüßer werden; der Forſtmann aber oder der Landwirt hat wahrſcheinlich alle Urſache, ihr danfbar zu ſein. Zelebor tritt mit Entſchiedenheit ſogar in einer Fagdzeitung für ſie in die Schranken, und ih meinesteils {ließe mi<h ihm wenigſtens bedingungsweiſe an. Die Wildkaße ſchadet, jo glaube ih zuſammenfaſſen zu dürfen, zuweilen und nüßt regelmäßig; ſie vertilgt mehr ſ{hädliche Tiere als nüßliche und macht ſih dadur< zwar niht um unſere Jagd, wohl aber um unſere Wälder verdient.

Die Zeit der Paarung der Wildkage fällt in den Februar, der Wurf in den April; die Tragzeit währt 9 Wochen. Jn Gegenden, welche das Raubtier no< verhältnismäßig zahlreich bewohnt, ſoll, laut Win>ell, der Lärm, den die ſi<h paarenden Kaßen verurſachen, und welcher dur< den ewigen Zank der Kater no< vermehrt wird, ebenſo unausſtehlih ſein wie bei den zahmen Kagßen in Dörfern und Städten. „Jn den ſchottiſchen Hochlanden“, ſagt St. Fohn, „wird ſie allmählih ausgerottet. Früher habe ih ihren wilden eigenartigen Schrei oft gehört, wenn ſie in ſtillen Nähten ſi riefen und antworteten. Jh kenne keinen Ruf, der ſo harſh und ſpukhaſt klänge wie der der Wildkate, oder beſſer geeignet wäre, abergläubiſhe Furht im Gemüte des einfältigen Hohländers zu erwe>en. Einige Male bin i< Wildkagen in Wäldern und an ſteinigen Halden begegnet; einſt überraſchte ih eine ganze Familie von zwei alten und drei halbwüchſigen jungen im Gefelſe.“ Es ſcheint erwieſen, daß auh Wild- und Hauskagzen ſich paaren, obgleich beide niht eben freundſchaftlih gegeneinander ſih zu benehmen pflegen. Freilih ändert heftige Brunſt auch in dieſem Falle früher gehegte Geſinnungen. Jn der Nähe von Hildesheim wurde, wie Niemeyer berichtet, Mitte der ſehziger Jahre ein Wildkater in einem Förſtereigarten geſchoſſen, zur Zeit, als dic Hausfagzen des Gehöftes ihre bekannte Paarungsmuſik aufführten. Der Förſter verſicherte, daß der Kater dem Geſchrei der Hauskaßen na<hgegangen und ſehr ſorglos gegen die Umgebung geweſen ſei. Auch ſind ſhon wiederholt Katen erlegt worden, welche wohl mit vollem Rechte als Blendlinge von beiden Arten angeſprohen wurden.

Die tragende Wildkaße wählt ſi einen verlaſſenen Dahs- oder Fuchsbau, eine Felſenkluft oder au< einen hohlen Baum zum Wochenbette und bringt hier 5—6 Funge, welche blind geboren werden und jungen Hausfkäßchen ähneln. Wenn ſie niht mehr ſaugen, werden ſie von der Mutter ſorgfältig mit Mäuſen und anderweitigen Nagern, Maulwürfen und Vögeln verſehen. Nach kurzer Zeit ſchon erklettern ſie mit Vorliebe niedere oder höhere Bäume,