Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

430 Vierte Ordnung: Raubtiere; erſte Familie: Katen.

Je mehr dieſer ſi< mit ihr beſchäftigt, um ſo treuere Anhänglichkeit gewinnt ſie an die Familie, je mehr man aber eine Kaße ſi< ſelbſt überläßt um ſo größer wird ihre Anhänglichkeit an das Haus, in welchem ſie aufgezogen wurde. Der Menſch beſtimmt immer den Grad der Zähmung und der Häuslichkeit einer Kaße. Wo ſie ſi ſelbſt überlaſſen wird, kommt es niht ſelten vor, daß ſie zur Zeit des Sommers ganz dem Hauſe entläuft und in die Wälder ſich begibt, in denen ſie unter Umſtänden vollſtändig verwildern kann. Bei Eintritt des Winters kehrt ſie gewöhnlich in ihre frühere Wohnung zurü> und bringt dahin auch ihre Jungen, welche ſie während ihres Sommeraufenthaltes zur Welt gebracht hat; doh kommt es, zumal in warmen Ländern, häufig genug vor, daß ſie, auh wenn ſie zurüdgekehrt iſt, faſt gar niht mehr um den Menſchen ſi kümmert. Namentlich die Kazen in Paraguay leben, wie uns Rengger mitteilt, in der größten Selbſtändigkeit. Dennoch finden ſih dort nirgends wirkli verwilderte Kaßen in den Waldungen; ſie ſind ſogar aus den ehemals bewohnten Gegenden verſhwunden, in denen ſie beim Abzuge der Weißen zurü>gelaſſen wurden.

Unſere Hauskaße eignet ſi vortrefflich, ihre ganze Familie kennen zu lernen, eben weil jedermann ſie beobachten fann. Sie iſt ein außerordentli<h ſ<mud>es, reinliches, zierliches und anmutiges Geſchöpf, jede ihrer Bewegungen nett und angenehm und ihre Gewandtheit wahrhaft bewunderungswürdig. Sie geht gemeſſen und tritt mit ihren Samtpfötchen, deren Krallen ſorgfältig eingezogen ſind, ſo leiſe auf, daß ihr Gang für den Menſchen vollkommen unhörbar wird. Bei jedem Schritte zeigt ſih die Beweglichkeit, welche ihr eigentümlich iſt, verbunden mit größter Anmut und Zierlichkeit. Nur wenn ſie von einem anderen Tiere verfolgt oder plößlih erſ<hre>t wird, beſchleunigt ſie ihren Gang zu einem Laufe in {nell hintereinander folgenden Säßen oder Sprüngen, welche ſie ziemlih raſh fördern und faſt regelmäßig vor dem Verfolger retten, weil ſie klug jeden Schlupfwinkel zu benußzen oder jede Höhe zu gewinnen weiß. Sie klettert dur< Einhäkeln ihrer Krallen leicht und geſhi>t an Bäumen und rauhen oder weihen Mauern empor; im freien Felde läuft ſie niht eben raſch, wenigſtens wird ſie dort von jedem Hunde eingeholt. Jhre große Gewandtheit zeigt ſi namentli< bei Sprüngen, welche ſie freiwillig oder gezwungen ausführen muß. Sie mag fallen, wie ſie will, immer wird ſie mit den Beinen den Boden erreihen und verhältnismäßig ſanft auf die weichen Ballen der Füße fallen. Mir iſ es niemals gelungen, eine Kage, welche ih mit dem Nü>ken nah unten dicht über einen Tiſh oder über einen Stuhl hielt, ſo zu Falle zu bringen, daß ſie mit dem Rüen aufſhlug. Sie wendet ſi, ſobald man ſie ſreiläßt, blißſ<hnell um und ſteht dann ganz harmlos und feſt auf allen vier Füßen. Wie ſie dies bei ſo kurzen Entfernungen anſtellt, iſt geradezu unerklärlich; beim Herabfallen aus bedeutender Höhe dagegen kann man es ſi< ſehr wohl erklären, weil ſie dann ihren gerade emporgeſtre>ten Shwanz als Steuer benußt und hierdurch die Richtung des Falles regelt. Das Schwimmen verſteht ſie auh, macht aber von dieſer Fertigkeit bloß dann Gebrauch, wenn ſie in die unangenehme Lage kommt, aus dem Waſſer ſih retten zu müſſen. Freiwillig geht ſie wohl nur in ſeltenen Ausnahmefällen in das Waſſer; ſie meidet ſogar den Regen mit förmlicher Ängſtlichkeit. Haacke kannte indeſſen eine Kate, welche in einen Teich ſprang, um Goldfiſche zu fangen. Sie ſißt, wie der Hund, auf dem Hinterteile und ſtüßt ſih vorn mit beiden Füßen; im Schlafe rollt ſie ſih zuſammen und legt ſi auf eine Seite. Dabei ſucht ſie gern eine weiche und warme Unterlage auf, kann es aber nur ſelten vertragen, wenn ſie au< bede>t wird. Vor allem anderen benußt ſie das Heu zum Pfühl, wahrſcheinlih, weil ſie den Duft desſelben gut leiden mag. Von ſolchem Lager nimmt ihr Fell einen höchſt angenehmen Geruch an.

Bemerkenswert iſt die Biegſamkeit der an und für ſih rauhen Stimme unſerer Hausfave. „Sie mauwen auff mancherley Weiß, anderſt wann ſie etwas heiſchen, anderſt wann