Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

432 Vierie Drdæeung: Raubtiere; erſte Familie: Kagzen.

und nur aus leihtem Teige gebaut zu ſein. Auch ihre Sinnesfähigkeiten ſind groß und paſſen ganz zum Körper. Wir ſchäzen die Kaßen gewöhnlich viel zu niedrig, weil wir ihre Diebereien haſſen, ihre Klauen fürchten, ihren Feind, den Hund, ho<hſhäßen und keine Gegenſäße, wenn wir ſie niht in einer Einheit auflöſen, lieben fönnen.

„Richten wir nun unſere Aufmerkſamkeit auf ihre Haupteigenheiten. Zuvörderſt fällt uns ihre Gewandtheit auf. Körper und Seele ſind gewandt, beide aus einem Guſſe. Wie gewandt dreht ſie ſih in der Luft, wenn ſie au< nur mit dem Rücken abwärts wenige Fuß hoch fällt; wie gewandt erhält ſie ſi< auf ſhmalen Kanten und Baumzweigen, ſelbſt wenn dieſe fräftig geſchüttelt werden! Halb förperlih und halb geiſtig iſt ihre Liebe zur Reinlichkeit; ſie le>Œ und pusßt ſi<h immerdar. Alle ihre Härchen vom Kopfe bis zur Shwanz[pige ſollen in vollfommener Ordnung liegen; die Haare des Kopfes zu glätten und zu fkämmen, beledt ſie die Pfoten und ſtreiht dann dieſe über den Kopf; ſelbſt die Shwanzſpiße verſäumt ſie niht. Den Unrat verbirgt ſie, verſcharrt ihn in ſelbſtgegrabene Erdlöcher. Sie hat Éörperlichen Höheſinn, welcher aber, weil er Shwindelfreiheit und tüchtige Nerven erfordert, mit dem geiſtigen verwandt iſt. — Es mangelt ihr niht an Farbenſinn, ihrem Gehöre niht an Tonſinn. Sie kennt den Ménſchen an ſeiner Kleidung und an ſeiner Stimme. Sie will zur Thür hinaus, wenn ſie gerufen wird; ſie hat ein vorzügliches Ortsgedächtnis und übt es. Jn der ganzen Nachbarſchaft, in allen Häuſern, Kammern, Kellern, unter allen Dächern, auf allen Holz- und Heuboden zieht ſie herum. Sie iſt ein völliges Ortstier, daher ihre bekannte Anhängli<hteit mehr ans Haus als an die Bewohner. Sie zieht entweder nicht mit aus oder läuft wieder ins alte Haus. Unbegreiflich iſt es, daß ſie, ſtundenweit in einem Sace getragen, ihr Haus, ihre Heimat wiederfinden kann.

„Außerordentlih iſt ihr Mut ſelbſt gegen die allergrößten Hunde und Bullenbeißer, wie ungünſtig ihr Verhältnis in Bezug auf Größe und Stärke ſei. Sobald ſie einen Hund wahrnimmt, krümmt ſie den Rücken in einem ganz bezeihnenden Bogen, dem Kaßenbud>el. Jhre Augen glühen Zorn oder plögli<h aufwallenden Mut nebſt einer Art Abſcheu. Sie ſpeit ſhon von fern gegen ihn; ſie will vielleiht entweichen, fliehen; ſie ſpringt im Zimmer aufs Geſimſe, auf den Ofen oder will zur Thüre hinaus. Hat ſie aber Junge, jo ſtürzt ſie, wenn er dem Neſte nahe kommt, gräßlih auf ihn los, iſt mit einem Sage auf ſeinem Kopfe und zerkraßt ihm die Augen, das Geſicht gar jämmerli<h. Geht unter dieſer Zeit ein Hund ſie an, ſo hebt ſie die Taten mit hervorgeſtre>ten Klauen und weiht niht. Hat ſie no< den Rütten frei, ſo iſt ſie getroſt; denn die Seiten kann ſie mit ihren Hieben ſichern; ſie kann die Tagen wie Hände gebrauchen. Es können fünf und no< mehr Hunde fommen, ſie ordentlih belagern und gegen ſie prallen, ſie weiht niht. Sie könnte mit einem Saße weit über ſie hinausſpringen, aber ſie weiß, daß ſie alsdann verloren ſei; denn der Hund holte ſie ein. Zieht dieſer, ohne ſie angegriffen zu haben, endlih ſi< zurü>, ſo bleibt ſie oft ganz ruhig ſißen, erwartet, wenn die Hunde wollen, no< zehn Angriſſe und hält alle aus. Andere erſehen den Vorteil und erflettern ſ{<nell eine nahe Höhe. Dann ſigen ſie droben und ſehen in ſi<h gefauert und mit halbverſ<loſſenem Auge auf die Feinde, als wenn ſie dächten, wer ſeinen ſiheren Schaß im Herzen trage, der fönne ins Spiel der niederen Welt ganz ruhig ſhauen. Sie weiß, daß der Hund nicht klettern und nicht jo ho< ſpringen kann. Will aber der Menſch ſie erfaſſen, ſo klettert ſie höher und entſpringt; ihn fürchtet ſie mehr. Jn freiem Felde verfolgte Kagzen kehren, wenn ſie ſi ſtark fühlen, augenbli>lih um und pa>en den Hund an. Erſchro>ten nimmt nun dieſer die Flu<t. Manche Katen ſpringen aus unbedingtem Haſſe gegen alle Hunde, hängen ſi< am Kopfe feſt und fahren ihnen mit den Klauen immer in die Augen. Es gibt Kaßen, welche nur in der Küche leben, nie in die Stube kommen. Dieſe laſſen gewiß keinen Hund in die Küche; in diejer wollen ſie Herren ſein!