Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

Hauskaße: Schilderung Scheitlins. 433

„Zu ihrem Mute gehört ihre Raufltſt, ihre große Neigung zu Balgereien unter ſich. Es geht dies ſhon aus ihrem Hange zum Spielen und ihrem Mutwillen hervor: ſie ſind Nachtbuben. Zwar ſchlagen ſie ſi< au< bei Lage auf dem Dache herum, zerzupfen einander gräßlih und rollen au<h, miteinander ſih windend und kugelnd, über das Dach und durch die Luft auf die Straße herunter, ſih ſogar in der Luſt raufend; dennoch führen ſie am meiſten Krieg in der Nacht, die Kater unter ſih der Weiber willen. Mancher Kater kommt in gewiſſen Zeiten des Jahres beinahe alle Morgen mit blutigem Kopfe und zerzauſtem Kleide heim; dann ſcheint er gewißigt und daheim bleiben zu wollen, nicht lange aber; denn er vergißt ſeine Wunden ſo ſchnell, als ſie heilen, und fällt dann in die alte Sünde zurü>. Der Kater lebt oft wochenlang außer dem Hauſe in ſeiner grenzenloſen Freiheitsſphäre; man hält ihn für verloren, unerwartet kommt er wieder zum Vorſcheine. Die Miez hat viel mehr Hausſinn, Neſtſinn, wie alle Tierarten. Nicht immer ſind die Naufer die ſtärÈ: ſten, und nict allemal ſind die Kater die ärgſten Raufbolde, es gibt auch weibliche Haudegen, wilde Weiber. Solche rennen allen Kaßen ohne Unterſchied nach, fürchten die ſtärkſten Kater nicht, fordern alle mit Worten und Tadel heraus und machen ſich allen der ganzen, langen Straße furchtbar, ſoweit man von Da zu Dach, ohne die Straße überſchreiten zu müſſen, kommen kann.

„Mit ihrem Mute iſ ihre Unerſchro>kenheit und Gegenwart des Geiſtes vorhanden. Man kann ſie niht, ſo wie den Hund oder das Pferd, erſchre>en, ſondern nux verſcheuchen. Dieſe haben mehr Einſicht, die Kaße hat mehr Mut; man kann ſie niht ſtußig machen, niht in Verwunderung ſezen. Man ſpricht viel von ihrer Schlauheit und Liſt: mit Recht; liſtig harrt ſie totenſtill vor dem Mauſeloche, liſtig macht ſie ſich klein, harrt lange, ſhon funkeln — das Mäuschen iſt erſt halb heraus — ihre Augen, und noch hält ſie an. Sie iſt Meiſter über ſi, wie alle Liſtigen, und kennt den richtigen Augenbli>.

„Gefühl, Stolz, Eitelkeit hat ſie nur in hwachem Grade; ſie iſt ja kein Geſelligkeits-, ſondern ein Einſamkeitsweſen; ſie freut ſich keines Sieges und ſchämt ſich auch nie. Wenn ſie ſi einer Sünde bewußt iſt, fürchtet ſie einzig die Strafe. Jt ſie derb ausgeſcholten und geprügelt worden, ſo ſchüttelt ſie den Pelz und — kommt nah wenigen Minuten unbehelligt wieder. Doch fühlt ſie ſi< niht wenig geſchmeichelt, wenn man ſie nah ihrem erſten Jagdmuſterſtü> auf eine Maus, die ſie in die Stube bringt und vor die Augen der Leute legt, herzlich lobt. Sie kommt dann auch künſtighin mit der Beute in die Stube und zeigt ihre große Kunſt jedesmal an.

„Man ſpricht von ihrer Shmeichelei und Falſchheit, wohl gar von Rachſucht, doch viel zu viel. Gefällt ihr jemand vorzugsweiſe, denn ſie kann ſehr lieben und ſehr haſſen, ſo drüd>t ſie ſich oft mit der Wange und den Flanken an Wange und Seiten desfelben, koſt auf jede Weiſe, ſpringt am frühen Morgen auf ſein Bett, legt ſih ihm ſo nahe wie mögli<h und küßt ihn. Manchen Katen iſt freilih immer nicht ganz zu trauen. Sie beißen und kragen oft, wenn man es ſi< gar niht vermutet. Allein in den meiſten Fällen beruht ein ſolches Betragen nur auf Notwehr, weil man ſie ja doh auch gar zu oft falſch und hinterrü>s plagt. Allerdings thut der Hund ſolches niht, der Hund aber iſ ein guter Narr. Wir dürfen die Ungutmütigen doh niht geradezu falſch nennen. Eigentlich falſche Kaßen ſind ſeltene Ausnahmen, deren es auc unter den Hunden gibt, wenn ſchon allerdings noch viel ſeltener. „Falſcher Hund“ iſt doh für den Mann wie „falſche Kaze“ fürs Weib eine Art Sprichwort. Was den Menſchen falſ<h macht, das macht auch die vollklommeneren Tiere falſch.

„Jhre Liebeszeit iſt intereſſant. Der Kater iſt alsdann wild, die Weiber, welche ihn aufſuchen, ſißen um ihn herum; er in der Mitte brummt ſeinen tiefen Baß hinzu, die Weiber ſingen Tenor, Alt, Diskant und alle möglihen Stimmen. Das Konzert wird immer wilder. Zwiſcheninnen {lagen ſie einander die Fäuſte ins Geſicht, und eben die Weiber,

Brehm, Tierleben. 83. Auflage. L 28