Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

Löwe: Töten der Beute. Aasfreſſer. Menſchenraub. 453

rechtzeitig befreit hatten, aber an Na>en und Schultern ſ{hre>li< zerbiſſen waren.“ Ob der indiſche Löwe größere Tiere in dieſer Weiſe tötet, läßt Blanford unentſchieden; er ſah, wie eine Löwin ein Kamel mehrere Minuten an der Kehle gepa>t hielt, ohne zu verſuchen, ihm das Geni> zu brechen.

Der Löwe zieht größere Tiere den kleineren vor, obgleich er dieſe, wenn ex ſie haben kann, auh niht verſhmäht. Soll er doh, wie beſtimmt verſichert wird, bisweilen ſogar mit Heuſchre>en ſih begnügen. Nach Livingſtone ſoll er ſi<, alt oder krank geworden, auf die Jagd von Mäuſen und anderen kleinen Nagern legen. Dies würde als ſeltene Ausnahme zu betrachten ſein; er erſheint auh faum geeignet, ſo kleines Wild zu erbeuten. Seine Jagd richtet ſih auf große Beute, wie am beſten daraus hervorgeht, daß er da am häufigſten auftritt, wo es viel Wild oder zahlreihes Großvieh gibt. Alle Herdentiere des Menſchen, die wilden Zebras, ſämtliche Antilopen ſowie die Wildſchweine ſind und bleiben ſeine Hauptnahrung. „Jm Süden Afrikas“, bemerkt Mohr, „findet er ſih nur in ſolchen Gegenden, in denen Großwild lebt, d. h. Büffel, Quaggas und die großen Antilopenarten vorkommen. Elefanten und Nashörner greift er nie an; dagegen ſtürzt er ſich auf den Kaſfferbüffel und zwar keineswegs ohne Erfolg, mindeſtens nicht ohne erheblihe Schädigung des gewaltigen und wehrhaften Wiederkäuers. Dies bewies mir ein alter Bulle, welchen ih am 15. Juli 1870 erlegte. Ein Löwe hatte kurz vorher einen Angriff auf dieſen Steppenrieſen gemacht und ihn fur<tbar zugerihtet. Beide Ohren waren buchſtäblich in Feten zerriſſen und entſeßlih die Wunden, welche die Klauen des Räubers ihm im Halſe und Nacen eingeriſſen hatten; eines der mächtigen Hörner war abgebrochen und blutete. Dennoch hatte der alte Burſche den Löwen abgeſchüttelt.“ Gewöhnlich frißt dieſer ſelbſterlegte Beute, noh lieber aber die, welche der Jäger ihm zurügelaſſen hat; unter Umſtänden verſhmäht er jedo<h au< Aas niht. So ſagt Selous: „Der ſüdafrikaniſche Löwe iſt oft ein ſehr ſ{<hmußiger Freſſer. Wenn Elefanten erlegt worden ſind, ſättigen ſich die Löwen ſehr häufig an den ſtinkenden Rieſenleibern, die in der Tropenſonne zerfallen und von Maden wimmeln; ſie fehren Naht auf Naht zum Schmauſe zurü>, bis kein Fleiſh mehr vorhanden iſt.“ Wohl werden ihnen dabei häufig genug viele Shmaroger helfen, welche die günſtige Gelegenheit wahrnehmen, mit dem Könige zu tafeln. Die faule und feige Hyäne und alle eigentlichen Hundearten erahten es für ſehr bequem, einen anderen für ſih Beute machen zu laſſen, und freſſen, ſobald der Löwe das Mahl verläßt, ſi daran toll und voll. Freilich duldet ſie der König niht immer an ſeinem Tiſche; es kommen vielmehr, wie beſtimmt erwieſen, zuweilen ernſte Raufereien vor.

Den Menſchen greift der Löwe äußerſt ſelten an. Die hohe Geſtalt eines Mannes ſcheint ihm Ehrfurcht einzuflößen. Jm Sudan wenigſtens, wo der „Aufruhrerregende“ in manchen Gegenden häufig auftritt, ſind ſo gut wie keine Fälle bekannt, daß ein Menſch von einem Löwen gefreſſen worden wäre. Dort fallen den Krokodilen und ſelbſt den Hyänen mehr Menſchen zum Opfer als dem Löwen. Jn Südafrika dagegen ſind Beiſpiele genug bekannt, daß Löwen Menſchen überfielen, daß ſie troß der Wachtfeuer in die Umzäunungen der Lager eindrangen, um Nußgtiere zu rauben, ſogar Menſchen von der Seite des Feuers wegzuholen. Wahrſcheinlich treibt ſie dazu nur der äußerſte Hunger, wie jene kräftige, vollbewehrte Löwin mit gänzlih leerem Magen, von der Selous erzählt, daß ſie troß der Feuer, der Wächter und Schüſſe dreimal in einer Nacht das Lager überfiel, einmal ein Pferd und dann wieder zwei Eingeborene hart am Feuer griff, aber ſtets abgetrieben und ſcließlih getötet wurde. „Ein hungriger Löwe iſt ein Teufel“, ſagt man in Südafrika. Unter ſolhen Umſtänden, ob vollkräftig, ob alt und ſhwach, überfällt er tags oder nachts au<h den Menſchen, und belehrl ihn dann noch die Erfahrung, wie leicht dieſer zu beſ<hleihen und zu überwältigen iſt, dann wird er öfter nah ſol< bequemer Beute trachten. Wirkliche „Menſchenfreſſer“ können ſich