Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

45d Vierte Ordnung: Raubtiere; erſte Familie: Katen.

dort aber nur ſelten ausbilden, denn die meiſten ſüdafrikaniſchen Eingeborenen ſind nicht die Leute, die ſih von einem Löwen drangſalieren ließen. Schon wenn einer darauf verfällt, ſi von ihren Herden zu ernähren, fahnden die kriegeriſhen Stämme nach ihm, töten ihn oder verſcheuchen ihn doch aus ihrem Gebiete. Nah W. M. Kerr fallen im Gebiete von

Tſchibinga (ſüdlih vom Sambeſi) jährlich etwa 10 Perſonen den Löwen zum Opfer, beſonders in der Regenzeit, wenn die Leute in ihren Pflanzungen arbeiten und gelegentlich einſchlafen. Über das Verhalten unſeres Naubtieres in Deutſch- Oſtafrika iſt Noa >s Mitteilungen aus Böhms Tagebüchern folgendes zu entnehmen: „Der Löwe kommt noch von der Küſte an, wo er z. B. bis in die Pflanzungen der Jeſuitenmiſſion in Bagamoyo ſtreift überall im Gebiete vor. Man findet zuweilen mehrere von Löwen geriſſene Stücke Wild bei einander, da dieſe zu zweien und dreien zu jagen pflegen. Jm allgemeinen wird der Löwe viel weniger als der Panther gefürchtet; ih ſah ſelbſt ein altes Männchen, trobdem es aus nächſter Nähe einen Schuß mit grobem Schrote in das Geſicht erhalten hatte, keinen Angriff wagen, ſondern brüllend die Flucht ergreifen. Dagegen wurden wir im Dezember von einer Löwin wütend angegriffen, welche unweit einer geriſſenen Antilope mit 4 Fungen in einem dichten Gebüſche ruhte. Bei Bagamoyo wie bei Gonda wurden während unſeres Hierſeins mehrere Leute von Löwen zerriſſen.“

Zh habe nach allen im Sudan erhaltenen Nachrichten Urſache, daran zu zweifeln, daß ſich der Löwe jedesmal vor ſeinem Angriffe in einer Entfernung von etwa 3 oder 4 m niederlege, um den Sprung abzumeſſen. Die Araber verſichern, daß der Menſch, welcher einen ruhenden Löwen treffe, denſelben dur einen einzigen Steinwurf verſcheuchen fönne, falls er Mut genug habe, auf ihn loszugehen. Wer dagegen entfliehe, | ſei unrettbar verloren. Daß die Löwen vor dem Menſchen wirklih zurückweichen, ſagen E alle glaubwürdigen Beobachter. Anders mag es freilich ſein, wenn der Löwe ſhon mehrmals mit Menſchen gekämpft hat, oder wenn er ſehr hungrig iſt.

Den ſüdafrikaniſhen Löwen hat niemand ſ<hli<ter und bedahter geſchildert als Se[ous: „Mir hat es ſtets geſchienen, daß das Wort „majeſtätiſh“ merkwürdig unpaſſend für einen wilden Löwen ſei, denn er hat am Tage ſtets ein unſicheres, ſcheues Ausſehen, welhes unvereinbar iſt mit dem Begriffe des Majeſtätiſhen. Um dieſem zu entſprehen, müßte er doh den Kopf hochtragen. Das thut er ſelten. Wenn ſchreitend, hält ex ihn tief, tiefer als ſeine Rückenlinie iſt, und nur wenn er die Nähe des Menſchen merkt, hebt er manchmal den Kopf, wirft einen Blik auf den Störer, läßt ihn dann aber gewöhnlich wieder ſinken und trabt mit einem kurzen Murren davon. Wenn ex, in die Enge getrieben, mit offenem Rachen und funkelnden Augen den Kopf tief zwiſchen den Schultern hält, ein ununterbrochenes tiefes Grollen von ſich gibt und mit dem Schweife die Flanken peitſcht, kann kein Tier bedrohlicher ausſehen; aber ſelbſt dann iſt in ſeiner Erſcheinung nichts Majeſtätiſches. Falls der Löwe ſeinen Schwanz in raſcher Folge zwei- oder dreimal raſh ſenkrecht emporſchleudert, dann gib acht, denn dieſes iſt faſt regelmäßig das Zeichen des unmittelbar darauf folgenden Angriffs. Löwen, denen man am Tage begegnet, weichen faſt immer vor dem Menſchen zurü>, ſelbſt wenn ſie an einem eben erbeuteten Tiere geſtört werden und demna< wahrſcheinli< hungrig ſind. Wenn man ſie aber reizt und verwundet, darf man des Angriffes gewärtig ſein. Nach meiner Erfahrung ſind Löwen mehr zum Angreifen geneigt als irgend ein anderes ſüdafrikaniſhes Wild, dem ih begegnet bin. Da ihre Geſchi>lihkeit im Verbergen, ihre Schnelligkeit und Behendigkeit im Angriffe viel größer iſt als die des Elefanten, Büffels und Nashorns, halte ih ſie für viel gefährlichere Tiere als dieſe. Wie Menſchen und andere Tiere ſind allerdings auh Löwen ſo verſchiedentlih geartet, daß es niht angeht, das, was der eine that, ohne weiteres auh beim nächſten vorauszuſeßen ; und ih halte dafür, daß niemand ein Recht hat, zu ſagen, die Löwen wären feige, weil