Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

494 Vierte Ordnung: Raubtiere; erſte Familie: Katen.

Die Eyra bethätigt ihr vielverſprehendes Äußere niht. Man möchte glauben, daß ſie alle Eigenſchaften der Kaßen und Marder in ſi vereinige; ſie iſt jedo< auh niht gewandter als der Yaguarundi, und nur ihr unerſättlicher Blutdurſt, ihre Grauſamkeit ſtellen ſie, vom Naubtierſtandpunkte betrachtet, über jenen und beweiſen, daß die Marderähnlichkeit noh anderweitig begründet iſt. Auch die Eyra lebt paarweiſe. Azara, ihr Entdecker, verſichert, daß keine andere Kate dieſes kleine Naubtier in der Schnelligkeit übertreffen könne, mit welcher es einer einmal gefaßten Beute den Garaus zu machen wiſſe. Rengger hielt Eyvas in der Gefangenſchaft, ohne ſie eigentlih zähmen zu können. Sie waren noh ſo klein, daß ſie kaum auf den Beinen ſich halten konnten, und griffen doch bereits Geflügel an, obwohl es ihnen an Kraft fehlte, dasſelbe zu überwältigen; ja, einer der kleinen Raubmörder wurde vom Haushahne dur einen Sporenſchlag in den Hals getötet. Der andere mußte wegen ſeiner unbezähmbaren Raubſucht immer eingeſperrt werden, und als ex einmal frei kam, würgte er ohne Verzug mehrere junge Enten ab. Die Naubſucht abgerechnet, war das Tier ſehr zahm, ſpielte in ſeiner Jugend mit Kagen und Hunden, mit Pomeranzen und Papier und war beſonders einem Affen zugethan, wahrſcheinli<h, weil dieſer es von den läſtigen Flöhen befreite. Mit zunehmendem Alter wurde die Eyra unfreundlicher gegen andere Tiere, blieb aber zutrauli<h und ſanft gegen Menſchen, falls lettere ſie niht beim Freſſen ſtörten. Übrigens machte ſie keinen Unterſchied zwiſchen ihren Wärtern und fremden Perſonen, zeigle auch weder Gedächtnis für empfangene Wohlthaten noch für erlittene Beleidigungen. Eyras kamen wiederholt lebend nah London. Von zweien derſelben nahm FJ. Wolf die Abbildung, welche wir hier benußt haben.

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Unter den gefle>ten bis längs8geſtreiften Kaßen Amerikas ſteht das verrufenſte aller Naubtiere der Neuen Welt, der Jaguar oder die Unze (Felis onza, F. panthera, Leopardus onza), als das größte und ſtärkſte Mitglied obenan. Wir kennen ihn {hon aus den erſten Nachrichten, welche uns über Amerika zugekommen ſind; doh hat auch jetzt noh immer faſt jeder Reiſende etwas über ihn zu berihten, obwohl in einer Weiſe, welche die früheren Schilderungen von ſeiner Furchtbarkeit übertrieben erſcheinen läßt. Daß bei den Beſchreibungen viele Fabeln untérgelaufen ſind, iſt leiht erklärlih: man kannte das Tier zu wenig und vertraute zu ſehr den landläufigen Geſchichten.

Der Faguar zeigt in ſeiner Geſtalt mehr den Ausdru> von Kraft als von Gewandtheit und erſcheint etwas ſchwerfällig. Der Körper iſt niht ſo lang wie der des Leoparden oder Tigers, und die Gliedmaßen ſind im Verhältnis zum Rumpfe kürzer als bei jenen Katen. Ein vollkommen erwathſener Jaguar mißt nah Rengger 145 cm von der Schnauzenſpite bis zur Shwanzwurxzel und 68 em von hier bis zur Schwanzſpitze; A. von Humboldt berichtet aber au< von einzelnen, welche mindeſtens ebenſo groß wie der Königstiger waren; Pöppig gibt die Länge ohne Schwanz ſogar zu 180—200 cm an. Am Widerriſte wird die Unze etwa 80 em hoch, etwas darüber oder darunter. Der Pelz iſt kurz, dicht, glänzend und weich, an der Kehle, dem Unterteile des Halſes, der Bruſt und dem Bauche länger als an dem übrigen Körper. Die Färbung ändert vielfah ab, ebenſowohl was die Grundſarbe als was die Fle>enzeihnung anbelangt. Bei den meiſten iſt jene rötlichgelb ausgenommen im Funern des Ohres, an dex unteren Schnauze, den Kinnladen, der Kehle und der übrigen Unterſeite ſowie an der Fnnenſeite der vier Beine, wo Weiß vorherrſcht. Das Fell iſt überall gezeihnet, teils mit kleineren ſhwarzen, kreisförmigen, länglih oder auh unregelmäßig geſtalteten Fle>en, teils mit größeren Fle>œen und Ringen, welche gelblichrot und ſ{hwarz umrandet ſind und in ihrer Mitte einen oder zwei ſhwarze Punkte tragen.