Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

502 Vierte Ordnung: Raubtiere; erſte Familie: Katen,

zehnjähriges Negermädchen, in einem Anfalle von böſer Laune mit einem Schlage der Taße in den Na>en zu Boden werfen und über ſie herfallen. Obwohl ihm das Kind ſogleich entriſſen wurde, hatte er mit ſeiner zahnloſen Kinnlade do< {hon einen Arm zerquetſcht, und es dauerte mehrere Stunden, bis das Mädchen wieder zu ſich kam. Weibliche Jaguare ſind leichter zähmbar als männliche, und wenn man den leßteren dur<h Verſchneidung einen Teil ihrer Wildheit zu nehmen ſucht, werden ſie faſt noch tükiſcher als vorher, gehen auc, weil ſie ſehr fett werden, gewöhnlih na<h kurzer Zeit zu Grunde. Solange ſie noch jung ſind, kann man ſie durh S<hläge bändigen; ſpäter hält es ſ{<wer, ihrer Meiſter zu werden. Großmut und Erkenntlichkeit ſind dem Jaguar fremd; er zeigt keine ausdauernde Anhänglichkeit für ſeinen Wärter oder für ein mit ihm auferzogenes Tier, und es iſt daher immer eine gewagte Sache, ihn länger als ein Fahr, ohne ihn einzuſperren, in der Gefangenſchaft zu halten.

Mm den Käfigen unſerer Tiergärten und Tierbuden benimmt ſih der Jaguar ganz wie der Pardel. Die von mir na<h Beobachtung verſchiedener Jaguare in Tiergärten „gefaßte Meinung, daß er ſih ſchwierig zähmen und kaum zum „Arbeiten“ abrichten laſſe, iſt dur< Kreuzberg, einen unſerer erfahrenſten und geſchi>teſten Tierbändiger, widerlegt worden. Gerade die wildeſten Jaguare werden in der Regel die gelehrigſten Schüler eines Meiſters dieſer gefährlichen Kunſt, müſſen jedoch erſt vollſtändig ſich bewußt geworden ſein, daß ſie an dem Vändiger einen Herrn über ſich haben, gegen deſſen Willen jede Auflehnung vergeblich iſt.

Gefangene Faguare haben ſih wiederholt fortgepflanzt, und zwar nicht allein in Tiergärten, ſondern auch in Tierſhaubuden. Ebenſo paart ſich der Jaguar mit Leopard, Panther und Sundapanther und erzielt kräftige, fortpflanzungsfähige Blendlinge. Der von Fißinger als eigene Art aufgeſtellte Grauparder (Leopardus poliopardus) war, nach der von Kreuzberg mir gegebenen Verſicherung, der Sprößling eines Jaguars und eines ſ{hwarzen Sundapanthers. Pardel haben ſih zweifellos verſchiedene Male erfolgreih mit dem Jaguar gepaart und jedesmal ähnliche Blendlinge erzeugt; und einer der leßteren warf, nachdem er mit einem Leoparden gekreuzt worden war, Junge, von denen das eine dem Vater Leopard, das andere der Mutter Graupardex in allen weſentlichen Stücken glih. Jn Braſilien wird allgemein verſichert, daß Unzen ſich au< mit Pumas paaren.

Seiner Schädlichkeit wegen wird der Jaguar in bewohnten Gegenden auf alle mögliche Weiſe gejagt und getötet, Jn Südamerika bedienen ſi< Jndianer ihrer mit dem mörderiſchen Urarigifte getränkten Pfeile. Weit verwegener als dieſe Jagd iſt die folgende. Der Jäger umwicelt mit einem Schaffelle den linken Arm und bewaffnet ſi< mit einem zweiſhneidigen Meſſer oder Dolche von etwa 2 Fuß Länge. So ausgerüſtet, ſucht er mit 2 oder 3 Hunden den Faguar auf. Dieſer bietet wenigen Hunden ſogleih die Spiße; der Jäger naht ſih ihm und reizt ihn gewöhnli<h mit Worten und Gebärden. Plößlich ſpringt der Jaguar mit weit aufgeriſſenem Rachen auf den Jäger zu, richtet ſi<h aber zum Angriffe wie unſer Vär in die Höhe. Jn dieſem Augenbli>e hält der Jäger den beiden vorderen Pranken des Tieres den umwundenen Arm vor und ſtößt ihm, mit dem Körper etwas nah rehts ausweichend, den Dolch in die linke Seite. Der getroffene Jaguar fällt dur< den Stoß um ſo eher zu Boden, als es ihm ſchwer wird, in aufrechter Stellung das Gleichgewicht zu bewahren, und die Hunde werfen ſih über ihn her. War die erſte Wunde nicht tödlich, ſo macht er ſi<h wohl wieder von den Hunden los und ſtürzt ſih von neuem auf ſeinen Gegner, welcher ihm alsdann einen zweiten Stich verſeßt. Rengger kannte einen Jndianer aus der Stadt Bajada, welcher über 100 Faguare auf dieſe Weiſe erlegt hatte. Er war ein leidenſchaſtliher Jäger, büßte aber im Fahre 1821 auf einer ſolchen Jagd do< das Leben ein. Göring hörte von einem Gaucho erzählen, welcher wegen ſeiner Jagden