Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

Wieſel: Kühnheit. Wehrhaftigkeit. Beutetiere. 615

Beobachtungen hat man bei Krähen gemacht, welche ſo kühn waren, das unſcheinbare Tier anzugreifen, und ſih arg verrehneten, indem ſie ſelbſt ihr Leben laſſen mußten, anſtatt einen guten Shmaus zu halten.

Ein lehrreiches Beiſpiel von einem ungleichen Zweikampfe, den unſer kleiner Räuber beſtand, teilt Lenz mit: „Zu einem alten Wieſel, welches mit anderen Tieren ſchon ganz geſättigt war, ſeßte ih einen Hamſter, welcher es an Körpermaſſe wohl dreimal übertraf. Kaum hatte es den böſen Feind bemerkt, vor dem es wie ein Zwerg vor einem Rieſen ſtand, ſo rü>te es im Sturmſchritte vor, quiefte laut auf und ſprang unaufhörlih nah dem Geſichte und Halſe ſeines Gegners. Der Hamſter richtete ſih empor und wehrte mit den Zähnen den Wagehals ab. Plößlih aber fuhr das Wieſel zu, biß ſi in ſeine Schnauze ein, und beide wälzten ſi< nun, das Wieſel laut quiekend, auf dem mit Blute ſih rötenden Schlachtfelde. Die Streiter fochten mit allen Füßen; bald war das leicht gebaute Wieſel, bald der \hwere, plumpe Hamſter obenauf. Nach 2 Minuten ließ das Wieſel los, und der Hamſter vußte, die Zähne fletſchend, ſeine verwundete Naſe. Aber zum Pußen war wenig Zeit; denn ſhon war der kleine Feind wieder da, und wupp! ſaß er wieder an der Shnauze und hatte ſich feſt eingebiſſen. Jeßt rangen ſie eine Viertelſtunde lang unter lautem Quieken und Fauchen, ohne daß ich bei der Schnelligkeit der Bewegungen re<ht ſehen konnte, wer ſiegte, wer unterlag. Zuweilen hörte ih zerbiſſene Knochen knirſchen. Die Heſtigkeit, womit ſich das Wieſel wehrte, die zunehmende Mattigkeit des Hamſters ſcien zu beweiſen, daß jenes im Vorteile war. Endlich ließ das Wieſel los, hinkte in eine E>e und kauerte ſich nieder; das eine Vorderbein war gelähmt, die Bruſt, welche es fortwährend le>te, blutig. Der Hamſter nahm von der anderen Ee Beſiß, pubte ſeine angeſhwollene Schnauze und röchelte. Einer ſeiner Zähne hing aus der Schnauze hervor und fiel endlich gänzlich ab; die Schlacht war entſchieden. Beide Teile waren zu neuen Anſtrengungen nicht mehr fähig. Nach 4 Stunden war das tapfere Wieſel tot. Jh unterſuchte es genau und fand durchaus keine Verſezung, ausgenommen, daß die ganze Bruſt von den Krallen des Hamſters arg zerkraßt war. Dex Hamſter überlebte ſeinen Feind no< um 4 Stunden. Die Schnauze desſelben war zermalmt, ein Zahn ausgefallen, zwei andere walig, und nur der vierte ſaß feſt. Übrigens ſah ih nirgends eine Verleßung, da ihn das Wieſel immer feſt an der Schnauze gehalten hatte.“

Es verſteht ſih von ſelbſt, daß ein ſo mutvolles und kühnes Geſchöpf ein wahrhaft furhtbarer Räuber ſein muß, und ein ſolcher iſt das Wieſel in der That. Es hat allen kleinen Säugetieren den Krieg erklärt und richtet unter ihnen oft entſegliche Verwüſtungen an. Unter den Säugetieren fallen ihm die Haus-, Wald- und Feldmäuſe, Waſſer- und Hausratten, Maulwürfe, junge Hamſter, Haſen und Kaninchen zur Beute; aus der Klaſſe der Vögel raubt es junge Hühner und Tauben, Lerchen und andere auf der Erde wohnende Vögel, ſelbſt ſolche, welche auf Bäumen ſchlafen, plündert auch deren Neſter, wenn es dieſe auffindet. Unter den Kriechtieren ſtellt es den Eidechſen, Blindſchleichen und Ringelnattern nach, wagt ſih ſelbſt an die gefährliche Kreuzotter, obgleich es deren wiederholten Biſſen erliegen muß. Außerdem frißt es auh Fröſche und Fiſche, genießt überhaupt jede Art von Fleiſch, ſelbſt das der eigenen Art. Kerbtiere der verſchiedenſten Ordnungen ſind ihm ein Le>erbiſſen, und wenn es Krebſe erlangen kann, weiß es deren harte Kruſte geſchi>t zu zerbrechen. Seine geringe Größe und unglaubliche Gewandtheit kommen ihm bei ſeinen Jagden trefflich zu ſtatten. Man kann wohl ſagen, daß eigentlich fein kleines Tier vor ihm ſicher iſt. Es läuft außerordentlih gewandt, klettert ret leidlich, ſhwimmt ſehr gut und weiß dur blißſchnelle Wendungen und raſche Bewegungen, im Notfalle auch durch ziemlich weite Sprünge ſeiner Beute auf den Leib zu kommen oder ſeinen Feinden zu entgehen. Fn der Fähigkeit, die engſten Spalten und Löcher zu durGkriehen und ſomit überall ſih einzuſchleichen, liegt ſeine Hauptſtärke, und Mut, Mordluſt und Blutdurſt thun dann vollends no< das Jhrige,