Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

Nerz: Frei- und Gefangenleben. Claudius" Beobachtungen. 633

erſte Mal traf ih ihn des Morgens außerhalb des Käfigs in einem Winkel der Stube verborgen; ſpäter fand ih ihn, wenn er ſich des Nachts befreit hatte, am Morgen regelmäßig wieder auf ſeinem Lager, als wenn ex in ſeinen nächtlichen Wanderungen mehr eine Erheiterung als Befreiung aus ſeiner Haft geſucht habe.“

Nachdem der Nerz ſih mit ſeiner Haſt vollſtändig ausgeſöhnt hatte und ſo zahm geworden war, daß er ſi von ſeinem Pfleger widerſtandslos greifen ließ, ſih auh gegen Liebkoſungen empfänglich zeigte, ſandte Claudius ihn mix in einer verſchloſſenen Kiſte. Zch erkannte ſchon beim Öffnen derſelben an dem vollſtändigen Fehlen irgend welchen unangenehmen Geruches, wie ſolhen der Fltis unter ähnlihen Umſtänden unbedingt verbreitet haben würde, daß ih es gewiß mit einem Sumpfotter zu thun hatte. Wohl darf ih ſagen, daß mich kaum ein Tier jemals mehr erfreut hat als dieſer ſeltene, von mir ſeit Fahren erſtrebte europäiſhe Marder, welcher ſih jahrelang des beſten Wohlſeins erfreute. Leider hat ſi meine Hoffnung, ein Männchen zu erlangen und dadurch vielleicht auh über die Fortpflanzung ins klare zu kommen, nicht erfüllt. Während des ganzen Tages liegt der Nerz zuſammengewi>elt auf ſeinem Lager, welches in einem vorn verſchließbaren Käſtchen angebraht worden iſt, und niht immer, ſelbſt dur<h Vorhaltung von Leerbiſſen nicht regelmäßig, gelingt es, ihn zum Aufſtehen zu bewegen oder hervorzulo>en. Er hört zwar auf den Anruf, iſt au<h mit ſeinem Wärter in ein gewiſſes Verhältnis getreten, zeigt aber feine8wegs freundſchaftliche Gefühle gegen den Pfleger, vielmehr einen entſchiedenen Eigenwillen und fügt ſi den Menſchen nur ſo weit, als ihm eben behagt. Hieran hat freilich der Käfig den Hauptteil der Schuld; wenigſtens zweifle ih nicht, daß er als Zimmergenoſſe wahrſcheinlih ſchon längſt zum niedlichen Schoßtiere geworden ſein würde. Erſt ziemlich ſpät abends, jedenfalls niht vor Sonnenuntergang, verläßt er das Lager und treibt ſich nun während der Nacht in ſeinem Käfig umher. Dieſe Lebensweiſe beobachtet er einen wie alle Tage, und hieraus erklärt ſih mir zur Genitge die allgemeine Unkenntnis über ſein Freileben. Denn wer vermag im Dunkel der Nacht den Nerz in ſeinem eigentlichen Heimgebiete, dem Bruche oder Sumpfe, zu folgen? Fn ſeinen Bewegungen ſteht er, ſoweit man von meinem in engem Raume untergebrahten Gefangenen urteilen kann, dem Fltis am nächſten. Er beſißt alle Gewandtheit der Marder, aber nicht die Kletterfertigkeit der hervorragendſten Glieder der Familie und ebenſowenig ihre Bewegungsluſt, man möchte vielmehr ſagen, daß er keinen Schritt unnüg thue. Ein Edel- oder Baummardex vergnügt ſich zuweilen im Käfig ſtundenlang mit abſonderlihen Sprüngen: auf ſolche Spielereien läßt ſich, ſoweit meine Beobachtungen reichen, der Nerz niemals ein. Trippelnden Ganges ſchleicht er mehr, als er geht, ſeines Weges dahin, gleitet raſh und behend über alle Unebenheiten hinweg, hält ſih aber auf dem Boden und ſtrebt niht nah der Höhe. Fns Waſſer geht er aus freien Stücken niht, ſondern nur, wenn ihm dort eine Beute winkt; doh mag an dieſer auffallenden Zurüchaltung der niht mit einem Shwimmbe>en eingerichtete Käſig ſ{huld ſein. Bei allen Bewegungen iſt das ſehr klug ausſehende Köpfchen nicht einen Augenbli> ruhig; die ſcharfen Augen dur<hmuſtern ohne Unterlaß den ganzen Raum, und die kleinen Dhren ſpiben ſih ſoweit wie möglih, um das wahrzunehmen, was jenen entgehen könnte. Reicht man ihm jeßt eine lebende Beute, ſo iſt er augenbli>lih zur Stelle, faßt das Opfer mit vollſter Mardergewandtheit, beißt es mit ein paar raſchen Biſſen tot und ſ{<leppt es in ſeine Höhle. Hat er mehr Nahrung, als er bedarf, ſo ſchleppt er ein Stück nach dem anderen in ſeinen Schlafkaſten, frißt jedoh in der Regel von ihm eilfertig ein wenig und wirft es erſt dann beiſeite, wenn ein anderes ſeine Mordluſt erregte.

Fiſche und Fröſche ſcheinen die ihm liebfte Nahrung zu ſein, obglei<h Claudius meinte, daß er Fleiſhkoſt allem übrigen vorziehe und Fiſche nur dann verzehre, wenn er kein Fleiſch bekommen könnte. Allerdings läßt er Fiſche liegen, wenn ihm eine lebende Maus, ein