Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1
Dachs: Gefangenleben in Haus und Hof. 655
wiederholtem Kopfſchütteln wie eine Wildſau ſ{hnurgerade auf den etwa 15 Schritt entfernt ſtehenden Hund losfuhr und im Vorüberrennen ſeitwärts mit dem Kopfe nah dem Gegner ſlug. Dieſer ſprang mit einem zierlihen Saße über den Dachs hinweg, erwartete einen zweiten und dritten Angriff und ließ ſich dann von ſeinem Widerpart in den Garten jagen. Glückte es dem Dachſe, den Hund am Hinterlaufe zu erſ<nappen, ſo entſtand eine arge Valgerei, welche jedo< niemals in ernſten Kampf ausartete. Wenn es Kaſpar zu arg wurde, fuhr ex, ohne ſi umzukehren, eine Stre>ke zurü>k, richtete ſih unter Shnaufen und Zittern hoh auf, ſträubte das Haar und rutſchte dann wie ein aufgeblaſener Truthahn vor dem Hunde hin und her. Nach wenigen Augenbli>en ſenkte ſih das Haar und der ganze Körper des Dachſes langſam nieder, und nach einigem Kopfſchütteln und begütigendem Grunzen „hu, gu, gu, gu“ ging das tolle Spiel von neuem an.
„Den größten Teil des Tages verſchlief Kaſpar in ſeinem Baue, welchen er ziemlich geſchi>t unter ſeiner Hütte, inmitten einer etwa 6 m im Geviert haltenden Einzäunung, angelegt hatte. Der Bau beſtand eigentlih nur in einem großen, unregelmäßigen Loche mit kurzer Einfahrt, und das Merkwürdige daran war nur, daß der Dachs an der Hinterwand des Keſſels beſtändig, wahrſcheinlih der Lüftung wegen, ein kaum handgroßes Loch unterhielt. Hinter der Hütte hatte er 3—5 Senkgruben, topfförmige Erdlöcher von etwa 25 cm Breite und Tiefe, angelegt, denen er eine komiſche Aufmerkſamkeit widmete. Bald wurde eine derſelben erweitert, bald eine verſchüttet und geebnet, eine neue angelegt, dieſelbe wieder zugeworfen 2c. Nur in dieſen Senkgruben ſeßte er Loſung und Harn ab. Bei großer Kälte ſhleppte er Heu und Stroh aus der Hütte in den Bau hinunter, verſtopfte die Löher von innen, warf oft 24 Stunden vor Eintritt des Tauwetters plößlich alles wieder hinaus und rannte dann fröſtelnd im Zwinger auf und ab, bis er in das Haus oder einen froſtfreien Stall gebracht wurde.
„Fnfolge ſeiner außerordentlihhen Reinlichkeitsliebe durfte er im Hauſe frei umherwandern. Beſonderes Vergnügen ſchien es ihm zu machen, auf den Treppen auf und ab zu tripveln; niht ſelten trabte er aber au< ganz einſam und ſtill auf dem Speicher umher, den Kopf neugierig in alle E>en ſte>end. Als eine beſondere Gunſt betrachtete er es, wenn er während des Mittagseſſens bei mir bleiben durfte. Er drängte dann den Hühnerhund einfach beiſeite, richtete ſih auf den Hinterläufen in die Höhe, legte die Vorderläufe und den bunten, glatten Kopf auf meine Schenkel und forderte unter dem üblichen „hu, gu, gu, gu“ ein Stückchen Fleiſch, welches er ſodann ſehr geſchi>t und zart mit den Vorderzähnen von der Gabel zog. Jm Winter liebte er es, ſih vor den Ofen platt auf den Rücken zu legen und den breiten, dünn behaarten Wanſt der Wärme zuzukehren.
„Jm Sommer begleitete er mi ſehr gern zu einem Streifen dihten Gehölzes, in welchem er ſi vollkommen heimiſch fühlte und bei jedem Schritte neue Entde>ungen machte. Bald fing er eine Hummel oder zog einen Wurm aus der Erde, bald ſuchte er abgefallene Beeren auf, bald verarbeitete er eine braune Wegſchne>e mit feinen Nägeln. Auf dem Heimwege folgte er mir verdroſſen auf den Ferſen, begann aber bald an meinen Beinkleidern zu zerren. Ein derber Tritt mit der Breitſeite des Fußes ermunterte ihn nur noh, mit feinen plumpen Späßen fortzufahren; dagegen verſtimmte ihn der leiſeſte Shlag mit der Hand oder einer Gerte aufs äußerſte.
„Während der Dauer des Haarwechſels, etwa von Mitte April bis zu Anfang September, war der Dachs ziemlih dürr und mager. Dann mehrte ſi plöblih ſeine Eßluſt und damit gleichzeitig ſeine Fettleibigkeit. Gegen Ende Oktober war ex bereits ſo fett, daß er beim Traben feuhte. Als Allesfreſſer liebte er gemiſchte Koſt: Küchenabfälle, Rüben, Möhren, Kürbis, Fallobſt mit Hafermehl zu einem ſteifen Brei gekocht, dazu einige Stücke rohes oder getohtes Fleiſh bildeten ſeinen Küchenzettel. Pflaumen und Zwetſchen, welche er