Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1
Fiſchotter: Stimme. Sinnesſchärfe. Streifzüge. Raubluſt. 673
auf einem alten Sto>e oder einer Kaupe, hier ſi< ſonnend, manchmal ſogar ſo weit ſich vergeſſend, daß er von heranſchleichenden Menſchen erſchlagen werden kann: dies aber ſind ſeltene Ausnahmen. Jn der Regel zieht er erſt na< Sonnenuntergang zum Fiſchſfange aus und betreibt dieſen während der Nacht, am liebſten und eifrigſten bei hellem Mondſcheine. Gelegentlih ſolher Jagden nähert er ſih den menſ<lihen Wohnungen nicht ſelten bis auf wenige Schritte, durchzieht auh Ortſchaften, welche an größeren Flüſſen oder Strömen liegen, regelmäßig, meiſt ohne daß man von ſeinem Vorhandenſein etwas merkt. Unter Umſtänden legt er ſeinen Bau in der Nähe einer Mühle an. Jäkel berichtet, daß ein Müller drei junge, wenige Tage alte Otter in der Nähe ſeines Mahlwerkes erſchlagen hat, und teilt noh mehrere andere ähnliche Fälle mit.
Alte Fiſchotter leben gewöhnlich einzeln, alte Weibchen aber ſtreifen lange Zeit mit ihren Fungen umher oder vereinigen ſih mit anderen Fähen oder um die Paarungszeit mit ſolchen und Männchen und fiſchen dann in Geſellſchaft. Sie ſchwimmen ſtets ſtromaufwärts und ſuchen einen Fluß nit ſelten auf Meilen von ihren Wohnungen gründlih ab, befiſchen dabei auch in dem Umfange einer Meile alle Flüſſe, Bäche und Teiche, welche in den Hauptfluß münden oder mit ihm in Verbindung ſtehen. Nötigen Falls bleiben ſie, wenn ſie der Morgen überraſcht, in irgend einem ſchilfreihen Teiche während des Tages verborgen und ſeßen bei Nacht ihre Wanderung fort. Fn den größeren Vächen, z. B. in denen, welche in die Saale münden, erſcheinen ſie niht ſelten 20, ja an 30 km von deren Mündungen entfernt und vernichten, ohne daß der Beſißer eine Ahnung hat, in aller Stille oft die ſämtlichen Fiſche eines Teiches. Obgleich der Fiſchotter zu weiteren Spaziergängen keine8wegs geeignet erſcheint, unternimmt ex erforderlichen Falls weite Streifzüge zu Lande, um aus fiſharmen in fiſhreichere Jagdgebiete zu gelangen: „er ſcheut dabei“, ſagt Jäckel, „um beiſpielsweiſe in die Gebirgsbäche des bayriſchen Hochlandes zu kommen, ſelbſt hohe Gebirgsrücken nicht und überſteigt ſie mit überraſchender Shnelligkeit. Fm Fahre 1850 überſtieg nah Beobahtung des Forſtwartes Sollacher von Staudach ein ſtarker Otter bei mehr als 1,5 m tiefem Schnee den felſigen, von Gemſen bewohnten Siedle>rücken am Hochgerngebirge, etwa 1460 m über der Meeresfläche erhaben, um von dem Weißachenthale in das gegenüberliegende Cibelsbachthal auf dem kürzeſten Wege zu kommen und in leßterem Bache zu fiſchen. Er mußte hierbei mindeſtens 8 Stunden an dem ſehr ſteilen und felſigen Gehänge aufwärts und dann 2 Stunden ebenſo ſteil abwärts bis zum Urſprunge des Eibelsbaches, welchen er bis zu ſeiner Einmündung in den Achenfluß ununterbrochen verfolgte. Ein kräftiger Gebirgsjäger kann unter den obwaltenden Verhältniſſen die betreffende Wegſtrece kaum in 7 Stunden zurü>klegen, während ſie der \<werfällige, zu Gebirgswanderungen nicht geſchaffene Otter einſchließli< der ſeinem Fiſchfange geopferten Zeit in dem kurzen Zeitraume von 12 Stunden ausführte, wovon ſi< Forſtwart Sollacher dur Hin- und Herverfolgen der [riſchen Fährte mit Staunen überzeugte. Fm Jahre 1840 ſtieg nah der Beobachtung des NRevierförſters Sachenbacher aus dem das Aurachthal bei Schlierſee durhziehenden Aurah[lüßchen bei ſehr tiefem Schnee ein ſtarker Otter an das Land und ſette unter den {<wierigſten örtlichen Verhältniſſen ſeinen Weg über das nahezu 1300 m über der Meeresfläche liegende Hohenwalde>gebirge und den Rhonberg fort, um in den weit entgegengeſeßt liegenden, fehr fiſchreichen Leißachfluß zu gelangen. Dieſe durch den Otter in einer Nacht zurü>gelegte Wegſtre>e beträgt mit Rückſicht auf das ſteile Gebirgsgehänge und das damalige tieſe Schneelager für einen geübten Bergſteiger wenigſtens 8 Gehſtunden.“
Jm Waſſer iſt der Fiſchotter dasſelbe, was Fuchs und Luchs im Vereine auf dem Lande ſind. Jn den ſeichten Gewäſſern treibt er die Fiſche in den Buchten zuſammen, um ihnen die Flucht zu verlegen und ſie deſto leichter zu erhaſchen, oder ſheucht ſie, indem er mehrmals mit dem Schwanze plätſchernd auf die Waſſeroberfläche ſchlägt, in Uferlöcher und
Brehm, Tierleben. 3. Auflage, IL. 43