Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

674 Vierte Ordnung: Raubtiere; dritte Familie: Marder.

unter Steine, wo ſie ihm dann ſicher zur Beute werden. Nicht ſelten lauert er, auf Stö>ken und Steinen ſißend, taucht, ſobald er einen Fiſch von ferne erbli>t, plößlich in das Waſſer, jagt ihm in eiligſter Heßjagd eine Stre>e weit nah und faßt ihn, falls er erſchre>t ſich zu verbergen ſu<ht. Wenn ihrer zwei einen Lachs verfolgen, {wimmt der eine über, der andere unter ihm, und ſo jagen ſie ihn ſo lange, bis er vor Müdigkeit niht weiter kann und ih ohne Widerſtand ergeben muß. Der Otter, welcher ſeine Jagd in tieferen Gewäſſern ohne Mithilfe anderer ſeiner Art ausüben muß, nähert ſih den größeren Fiſchen, welche niht gut unter ſih ſehen können, vom Grunde aus und pat ſie dann plößlih am Bauche. Kleinere Fiſche verzehrt er während ſeines Shwimmens im Waſſer, indem er den Kopf etwas über die Oberfläche emporhebt, größere trägt er im Maule nah dem Ufer und verſpeiſt ſie auf dem Lande. Dabei hält er die ſ{hlüpfrige Beute zwiſchen ſeinen Vorderfüßen und beginnt in der Gegend der Schulter zu freſſen, ſchält das Fleiſh vom Nacken nah dem Shwanze zu ab und läßt Kopf und Schwanz und die übrigen Teile liegen. Fn fiſhreichen Flüſſen wird er noch le>erer und labt ſich dann bloß an den beſten Nü>enſtücen. So kommt es, daß er an einem Tage oft mehrere große Fiſche fängt und von jedem bloß ein Éleines Rückenſtücchen verzehrt. Die in der Umgegend ſolcher Gewäſſer wohnenden Leute ſtören einen ſo le>eren Fiſchotter durchaus niht, zumal wenn der Strom oder das Fiſchre<t darin niht ihnen ſelbſt gehört, betraten vielmehr den Fiſchotter als einen höchſt willkommenen Beſchi>ker ihres Tiſches und gehen des Morgens regelmäßig an die Ufer, um die angefreſſenen Fiſche aufzuheben und für ſi zu verwerten. Bei Überfluß an Nahrung verleugnet der Otter die Sitten ſeiner Familie niht. Auch er mordet, wie ih an Gefangenen beobachtete, ſolange ſi in ſeiner Nähe unter Waſſer etwas Lebendes zeigt, und wird dur< einen an ihm vorüberſhwimmenden Fiſch ſelbſt von der le>erſten Mahlzeit abgezogen und zu neuer Jagd angeregt. Wenn er zufällig unter einen Shwarm kleiner Fiſche gerät, fängt er ſo raſch wie möglich nacheinander einen um den andern, ſ{leppt ihn eiligſt ans Land, beißt ihn tot, läßt ihn einſtweilen liegen und ſtürzt ſih von neuem ins Waſſer, um weiter zu jagen. Auch von Krebſen, Fröſchen, Waſſerratten, kleinen und ſogar größeren Vögeln nährt fich der Fiſchotter, obſchon Fiſche, zumal Forellen, ſeine Lieblingsſpeiſe bleiben. Selbſt dur außergewöhnliche Jagden wird er ſhädlih. „Fn den ſchönen Gartenanlagen zu Stuttgart“, erzählt Teſſin, „ſind die Teiche ſtark mit zahmem und wildem Waſſergeflügel ſowie mit Fiſchen bevölkert. Unter erſterem trieb im Sommer 1824 ein Fiſchotter ſeine nächtlichen Näubereien 6—7 Wochen lang, ohne daß irgend eine Spux ſeiner Anweſenheit bemerkt wurde. Während dieſer Zeit wurden alle Entenneſter ſowohl auf dem Lande als auf den Snſeln zerſtört und die Eier ausgeſaugt, auch die jungen Enten und Gänſe {nell vermindert, ohne daß Überreſte hiervon angetroffen worden wären, ebenſowenig, als man jolhe von den gefreſſenen Fiſchen bemerkte. Dagegen fand man tägli<h 2—7 alte Enten, von denen nihts als Kopf und Hals verzehrt worden waren, desgleichen ſtark verlebte Gänſe und Schwäne, welche infolge ihrer Wunden bald eingingen. Fn einer mondhellen Nacht entſ<loß ſi< endlih der in den Anlagen wohnende königliche Dberhofgärtner Boſh, auf dem Plage anzuſtehen. Von 9 Uhr an bis gegen 12 Uhr wurde das Waſſergeflügel beſtändig beunruhigt und nah allen Richtungen hin umhergetrieben. Unaufhörlich tönte der Angſtſchrei, beſonders der jungen Enten, und es fing erſt an, ruhig zu werden, nachdem ſi alle auf das Land geflüchtet hatten. Noch war es nicht möglich, zu entde>en, wodur< das Geflügel ſo in Angſt geſeßt worden war, und vergebens verſuchte Herr Boſh, dasſelbe wieder in den Teich zu treiben. Nach 1 Uhr fiel eine wilde Ente in kurzer Entfernung von dem Verſte>e des Jägers ins Waſſer. Bald darauf bemerkte dieſer im Waſſer eine \hmale Strömung, welche jedo<h durchaus kein Geräuſch verurſachte und das Anſehen haîite, als ob ein großer Fiſh hoh ginge, nur daß ſi die Strömung weit ſ{<neller bewegte, als