Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

40 Erſte Ordnung: Affen.

Ungeachtet der großen Ähnlichkeit zwiſchen Menſch und Affe laſſen ſich Unterſcheidungsmerkmale aufſtellen; nur darf man denſelben niht ausnahmsweiſe ein größeres Gewicht beilegen, als man ſonſt bei Vergleichung verſchiedener Säugetiere zu thun pflegt, Der hagere, behaarte Leib, die langen Arme, die dünnen Beine ohne Waden, die Geſäßſchwielen bei einem großen Teile der Arten, der vielen zukommende lange Schwanz und vor “allem der Kopf mit dem rü>liegenden und kleinen Schädel und den eingezogenen dünnen Lippen ſind Kennzeichen der Affen, durch die ſie ſi<h vom Menſchen deutlich unterſcheiden.

Ofken beſchreibt die Affen im Vergleiche zu dem Menſchen mit folgenden Worten: „Die Affen ſind dem Menſchen ähnli in allen Unſitten und Unarten. Sie ſind boshaft, falſch, tüdiſch, diebiſh und unanſtändig, ſie lernen eine Menge Poſſen, ſind aber ungehorſam und verderben oft den Spaß mitten im Spiele, indem ſie dazwiſchen einen Streich machen wie ein tölpelhafter Hanswurſt. Es gibt keine einzige Tugend, welche man einem Affen zuſchreiben könnte, und no< viel weniger irgend einen Nuten, den ſie für den Menſchen hätten. Wacheſtehen, Auſwarten, verſchiedene Dinge holen thun ſie bloß ſo lange, bis ſie die Narrheit anwandelt. Sie ſind nur die ſ<hle<hte Seite des Menſchen, ſowohl in leiblicher wie in ſittlicher Hinſicht.“

Es läßt ſich niht leugnen, daß dieſe Schilderung im weſentlichen niht unrichtig iſt. Wir wollen jedo< auch gegen die Affen gerecht ſein und dürfen deshalb wirklih gute Seiten derſelben nicht vergeſſen. Über ihre geiſtigen Eigenſchaften in Einem abzuurteilen, iſt nicht gerade leiht, weil die ganze Sippſchaft zu viele ſich widerſprechende Eigentümlichkeiten zeigt. Man muß ſreilih anerkennen, daß die Affen boshaft, liſtig, tüciſh, jähzornig, ra<hſüchtig, ſinnlich in jeder Hinſicht, zänkiſh, herrſh- und raufſüchtig, reizbax und grämlih, kurz leidenſchaftlih ſind, darf aber auch die Klugheit und Munterkeit, die Sanftheit und Milde “ die Freundlichkeit und Zutraulichkeit gegen den Menſchen, ihre Unterhaltungsgaben, ihre erheiternde Ernſthaftigkeit, ihre Geſelligkeit, ihren Mut und ihr Einſtehen für das Wohl der Geſamtheit, ihr kräftiges Verteidigen der Geſellſchaft, welcher ſie angehören, ſelbſt gegen ihnen überlegene Feinde, und ihre oft ſehr unſchuldige Luſt an Spielereien und Ne>ereien nicht vergeſſen. Und in einem Punkte ſind ſie alle groß: in ihrer Liebe gegen ihre Kinder, in dem Mitleiden gegen Schwache und Unmündige niht allein ihrer Art und Familie, ſondern ſelbſt anderer Ordnungen, ja ſogar anderer Klaſſen des Tierreiches.

Die geiſtige Ausbildung, welche die Affen erreichen können, erhebt ſie zwar niht ſo ho< über die übrigen Säugetiere, mit Ausſ<hluß des Menſchen, ſtellt ſie aber au< niht ſo tief unter den Menſchen, als von der einen Seite angenommen, von der anderen behauptet worden iſt. Die Hand, welche der Affe beſißt, gewährt ihm vor vielen Tieren fo große Vorzüge, daß ſeine Leiſtungen teilweiſe größer erſcheinen, als ſie ſind. Er iſt gelehrig, und der Nachahmungstrieb, welchen viele ſeines Geſchlechtes beſißen, erleichtert es ihm, Kunſt oder Fertigkeiten zu erlernen. Deshalb eignet er ſich na< kurzer Übung die verſchiedenartigſten Kunſtſtücke an, welche einem Hunde z. B. nux mit großer Mühe gelingen. Allein man darf nie verkennen, daß er das ihn Gelehrte immer nur mit einem gewiſſen Widerſtreben, niemals aber mit Freude und Bewußtſein ausführt. Es. hält niht ſ<hwer, einen Affen an allerlei Verrichtungen zu gewöhnen; allein er wird dieſelben nie mit derſelben Sorgfalt, ih möchte ſagen Gewiſſenhaſtigkeit thun wie ein wohlerzogener Hund. Dafür haben wir den Hund aber au< Jahrtauſende hindurch gezüchtet, gepflegt, gelehrt, unterrihtet und ein ganz anderes Geſchöpf aus ihm gebildet, als er war, während der Affe keine Gelegenheit hatte, mit dem Menſchen in nähere Verbindung zu kommen. Was Affen leiſten können, wird aus dem Nachfolgenden hervorgehen und damit der Beweis geliefert werden, daß man rect hat, ſie zu den klügſten aller Tiere zu zählen. Ein hoher Grad von Überlegung iſt ihnen niht abzuſprechen. Sie beſißen ein vortrefflihes Gedächtnis und wiſſen