Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Klippſpringer: Verbreitung. Lebensweiſe. Weſen. 399

ſie in unglaublicher Weiſe mit der federnden Kraft eines Gummiballes von Klippe zu Klippe, über Klüfte und Abgründe hinweg; immer mit der größten Behendigkeit und Sicherheit.“ Nüppell iſ meines Wiſſens der erſte, welcher mit aller Beſtimmtheit behauptet daß die Saſſa und der Klippſpringer ein und dasſelbe Tier ſind. Bis zu ſeiner Forſhungsreiſe in Abeſſinien hatte man kaum Kunde von dem Vorkommen dieſer Antilope in ſo nördlich gelegenen Gegenden; wenigſtens weiſen alle Forſcher vor ihm dem Klippſpringer ausſcließli< Südafrika zur Heimat an. Böhm fand ihn nahmals auch in Oſtafrika.

Der Klippſpringer oder die Saſſa findet ſich auf nicht allzu niederen Gebirgen, in den Bogosländern etwa auf ſolchen zwiſhen 600 und 2500 m Höhe. Sie lebt paarweiſe wie die Schopfantilope; dennoch ſieht man von ihr häufig kleine Trupps aus drei und ſelbſt aus vier Stüen beſtehend, entweder eine Familie mit einem Jungen oder zwei Pärchen, welche ſi zuſammengefunden haben und eine Zeitlang miteinander dahinziehen. Bei gutem Wetter ſucht jeder Trupp ſoviel wie mögli die Höhe auf, bei anhaltendem Regen ſteigt er tiefer in das Thal hinab. Fn den Morgen- und Abendſtunden erklettern die Paare große Felsblöde, am liebſten ſolche oben auf der Höhe des Gebirges, und ſtehen hier mit ziemlich eng zuſammengeſtellten Hufen wie Schildwachen, manchmal ſtundenlang ohne Bewegung verharrend. Solange das Gras taunaß iſt, treiben ſie ſih ſtets auf den Blö>ken und Steinen umher; in der Mittagsglut aber ſuchen ſie unter den Bäumen oder auch unter großen Felsplatten Schus, am liebſten gelagert auf einem beſchatteten Blo>ke, welcher nah unten hin freie Ausſicht gewährt. Von Zeit zu Zeit erſcheint wenigſtens einer der Gatten auf der nächſten Höhe, um von dort aus Umſchau zu halten. Jedes Paar hält an dem einmal gewählten Gebiete mit großer Zähigkeit feſt. Pater Filippini in Menſa konnte mir mit vollſter Beſtimmtheit ſagen, auf wel<hem Berge ein Paar Saſſas ſtänden: er wußte die Aufenthaltsorte der Tiere bis auf wenige Minuten hin ſicher zu beſtimmen.

Das Geſe des Klippſpringers beſteht aus Mimoſen und anderen Baumblättern, Gräſern und ſaftigen Alpenpflanzen und wird in den Vormittags- und ſpäteren Nachmittagsſtunden eingenommen. Um dieſe Zeit verſte>t ſi die Saſſa förmlich zwiſchen den Euphorbienſträuchern oder dem hohen Graſe um die Felsblö>e herum, und der Jäger bemüht ſi< vergeblih, eines der ohnehin ſ{<wer wahrnehmbaren Tiere zu entde>en, wogegen er ſie in den Früh- oder Abendſtunden wegen der Eigentümlichkeit der Stellung, die ſie auf den höchſten Steinen einnehmen, und dank der reinen Luft jener Höhen, ſhon von weitem unterſcheiden fann. '

Man darf nicht behaupten, daß die Saſſa beſonders ſcheu ſei; jedoch iſt dies wahrſcheinlih bloß deShalb der Fall, weil die Abeſſinier ſie wenig jagen. Einmal aufgeſcheuht, zeigt ſie aber ihre vollen Fähigkeiten. Mit Vogelſchnelle ſpringt das behende Geſchöpf von einem Abſaße zum anderen, an den ſteilſten Felswänden und neben grauſigen Abgründen dahin, mit derſelben Leichtigkeit, wenn es aufwärts wie wenn es abwärts klettert. Die geringſte Unebenheit iſt ihm genug, feſten Fuß zu faſſen; ſeine Bewegungen ſind unter allen Umſtänden ebenſo ſicher wie ſ<hnell. Am meiſten bewundert man die Kraft der Läufe, wenn die Saſſa hergaufwärts flüchtet. Jeder ihrer Muskeln arbeitet. Der Leih erſcheint no< einmal ſo fráftig als ſonſt, die ſtarken Läufe wie aus federndem Stahle geſhmiedet. Feder Sprung ihnellt das Tier hoch in die Luft; bald zeigt es ſi den Blien ganz frei, bald iſt es wieder zwiſchen den Steinen oder in den meterhohen Pflanzen verſhwunden, welche die Gehänge bededen. Mit unglaublicher Eile jagt es dahin; wenige Augenblicke genügen, um es außer den Bereich der Büchſe zu bringen. Zuweilen kommt es aber doh vor, daß man die Verfolgung noch einmal aufnehmen und ein zweites Mal zum Schuſſe gelangen kann. Fn Gegenden, wo das Feuergewehr nicht üblich iſ, achten alle Tiere anfangs ſehr wenig auf den Knall, und die Klippſpringer zumal ſcheinen an das Krachen und Lärmen der herabrollenden Steine