Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3
400 Elfte Ordnung: Paarzeher; dritte Familie: Horntiere.
im Gebirge ſo gewöhnt zu ſein, daß ſie ein Schuß kaum behelligt. Wenn man ſich glei vom Anfange an vorbereitet hat, zweimal zu ſchießen, kann man beide Gatten des Pärchens erlegen; denn die eine Saſſa bleibt regelmäßig no< einige Augenbli>e neben ihrem getöteten Gefährten ſtehen, betrachtet ihn mit großem Entſeßen und läßt dabei den ſo vielen Antilopen eigentümlichen ſcharfen Schneuzer des Schre>ens oder der Warnung vernehmen. Fürſt Hohenlohe erlegte einmal beide Böke eines Doppelpärchens mit zwei raſh aufeinander folgenden Schüſſen.
Wie es ſcheint, fällt in Abeſſinien die Sagtzeit der Saſſa zu Anfang der großen Regenzeit. Jm März traf ih ein Pärchen, in deſſen Geleite ſih der etwa halbjährige Sprößling no befand. Genaues wußten mir die Abeſſinier niht anzugeben, obwohl der Klippſpringer ihnen allen ein ſehr bekanntes Tier iſt.
Dex einzige Klippſpringer, welchen i< in einem Tiergarten geſehen habe, lebte 1875 in Berlin. Man merkte es dem Tierchen an, daß es als neugeborenes Kälbchen unter die Pflege des Menſchen gekommen ſein mußte; denn es wetteiferte an Zutraulichkeit mit dem zahmſten Haustiere. Furchtlos näherte es ſi jedem, welcher es beſuchte, beſ<nupperte die ihm dargebotene Hand wie jeden anderen Gegenſtand, welcher ſeine Neugierde erregte, und nahm einen ihm gereihten Le>erbiſſen gern an, ohne jedo< um ſolchen zu betteln. Unter dem ihm vorgelegten Futter dagegen ſuchte es ſi<h wähleriſ<h ſtets das beſte aus. Wie es ſchien, bevorzugte es Grasblätter und Riſpen den Baumzweigen und deren Blättern, vielleiht aber nur infolge längerer Gewohnheit.
Die außerordentliche Fertigkeit im Bergſteigen, welche dem Klippſpringer die Bewunderung des Menſchen errungen hat, beſißt auch der indiſche Goral, ein Tier, welches zur Gattung der Waldziegenantilopen (Nemorhoedus) gehört. Dieſer Name deutet ebenſowohl auf Geſtalt wie auf Lebens1weiſe der betreffenden Wiederkäuer hin, da die hierher gehörigen Antilopen große Ähnlichkeit mit den Ziegen haben. Beide Geſchlechter ſind ziegenähnlih gehörnt, nur daß ihre unten geringelten, erſt gerade aufſteigenden, dann gegen die Spitze hin ein wenig nach hinten gekrümmten Hörner nicht gekantet ſind wie bei den Ziegen. Thränen- und Weichengruben fehlen. Bis jeßt kennt man bloß wenige Arten jener Gattung und auch dieſe noh niht genau.
Der Goral (Nemorhoedus goral, Antilope, Capricornis und Hemitragus goral) hat die Größe einer Ziege. Seine Länge beträgt etwas über 1,2 m, die des Shwanzes 10, mit dem Haarpinſel 20 cm, die Höhe am Widerriſte 75 cm. Das Gehörn des Boes iſt 15—22 cm lang, kurz, dünn, gerundet; an der Wurzel ſtehen beide Stangen ſehr nahe zuſammen, gegen das Ende hin biegen ſie ſi< voneinander ab. Die Anzahl der Wahstumsringe ſ{<hwankt zwiſhen 20 und 40. Als Artkennzeichen gelten: gedrungener Leib mit geradem Nücken, ſ<hmächtige Beine, mittellanger Hals und kurzer, nach vorn zu verſchmälerter Kopf mit eiförmigen, großen Augen und langen, ſhmalen Ohren, kurzes, dichtes, etwas abſtehendes, zumal an Leib und Hals lo>eres Haarkleid von grauer oder vrötlihbrauner Färbung, welches oben an den Seiten und auch unten, mit Ausnahme eines ſhmalen gelben Längsſtreifens am Untexleibe, ſchwarz und rötlich geſprenkelt, an Kinn und Kehle ſowie einem von hier aus hinter den Wangen nah dem Dhre zu verlaufenden Streifen weiß, auf dem längs des Nüens verlaufenden Haarkamme aber ſ{hwarz iſt. Die Hörner der Rite ſind kürzer und ſhwächer als die des Bockes, beide Geſchlechter aber fonſt glei geſtaltet und gefärbt.
Das Verbreitungsgebiet des Gorals beſchränkt ſich, laut Adams, Ferdon und Kinlo<h, auf den Himalaja und zwar auf einen zwiſchen 1000 und 2600 m Höhe liegenden Gürtel.