Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

420 Elfte Ordnung: Paarzeher; dritte Familie: Horntiere.

So viel iſt ſicher, daß das Gnu in ſeinem Betragen ebenſoviel Rätſelhaftes hat wie in ſeiner Geſtalt. Die Bewegungen ſind eigentümli<h. Das Gnu iſt ein entſchiedener Paßgänger und greiſt ſelbſt im Galopp noh häufig mit beiden Füßen nach einer und derſelben Seite aus. Alle ſeine Bewegungen ſind raſh, mutwillig, wild und feurig. Dabei zeigt es eine Ne>und Spielluſt wie kein anderer Wiederkäuer. Wenn es ernſte Kämpfe gilt, beweiſen die Männchen denſelben Mut wie die Weibchen. Jhre Stimme ähnelt dem Rindergebrülle. Die holländiſchen Anſiedler überſeßen das eigentümliche Geſchrei jüngerer Tiere mit den Worten: „Nonja, gudtn avond!“ („Jungfrau, guten Abend!“)

Die Sinne, zumal Geſicht, Geru<h und Gehör, ſind vortrefflich; die geiſtigen Fähigteiten dagegen ſcheinen gering zu ſein. Die Spiele haben mehr etwas Verrücktes und Tolles als etwas Vorherbedahtes an ſih. Jn der Gefangenſchaft zeigt ſich das Gnu oft unbändig und wild, unempfindlih gegen S<hmeicheleien und gegen die Zähmung, aber auch ziemli<h gleihgültig gegen den Verluſt der Freiheit. Es kommt wohl an die Gitter ſeines Behälters heran, wenn man ihm etwas vorwirft, beweiſt ſih aber keine3wegs dankbar und geht ohne Wahl von einem Zuſchauer zum anderen. Seine Haltung im ruhigen Zuſtande iſt ganz die der Ninder; der Paßgang unterſcheidet es aber ſofort von dieſen. Dabei bewegt es den Hinterfuß immer etwas eher als den vorderen. Jn Trab iſt es nux ſhwer zu bringen, und wenn man ihm Gewalt anthun will, gerät es wohl in Zorn, iſt aber niht zu vermögen, weite Säße zu machen. Die weiblichen Gnus bringen in verſchiedenen Monaten des Jahres ein Junges zur Welt welches ſi< {hon wenige Tage nah ſeiner Geburt in denſelben Sprüngen und Poſſen gefällt wie ſeine Eltern, ſeiner geringen Größe halber aber noh drolliger erſcheint als dieſe. Die Mutter liebt es mit warmer Zärtlichkeit und gibt ſich feinetwegen ohne Bedenken Gefahren preis.

Die Jagd des erwachſenen Gnus hat ihre Schwierigkeiten wegen der unglaublichen Schnelligkeit und Ausdauer des Tieres. Gejagte Gnus zeigen eine auffallende Ähnlichkeit mit verfolgten wilden Rindern. FJhr Benehmen, wenn ſie aufgeſtört werden, die Art und Weiſe, wie ſie den Kopf aufwerfen, wie ſie ſih niederdu>en, wie ſie ausſ{lagen, bevor ſie fliehen, alles erinnert lebhaft an dieſe Wiederkäuer. Wie die Rinder, haben au ſie die eigentümliche Gewohnheit, vor dem Rüczuge die Gegenſtände ihrer Furcht zu betra<hten. Es ſoll nicht ſelten geſchehen, daß eine Herde Gnus einen Zug von Jägern herankommen läßt, ohne die Flucht zu ergreifen. Nur zufällig fängt man ein Gnu in Fallgruben oder in Schlingen. Alt eingefangene gebärden ſih wie toll und unſinnig, junge dagegen werden, wenn man ſie mit Kuhmilch aufzieht und ſi viel mit ihnen abgibt, bald ſo zahm, daß man ſie mit den Herden auf die Weide ſchi>en und ihnen alle Freiheiten eines Haustieres gewähren kann. Da die Boers jedo<h glauben, daß ſolhe Junge zu Hautkrankheiten neigen und ihre Haustiere anſte>en könnten, befaſſen ſie ſih nur ſelten mit der Aufzucht junger Gnus, und dieſe gelangen daher auh niht eben oft lebend in unſere Tiergärten.

Der Nuzen des erlegten Gnus iſt derſelbe, welchen andere Wildarten Afrikas bringen. Man ißt das Fleiſch ſeiner Saftigkeit und Zartheit halber, benusßt die Haut zu allerlei Lederwerk und verfertigt aus den Hörnern Meſſerhefte und andere Gegenſtände.

Die zweite Art der Gattung, das Streifengnu, das Blaue Wildebeeſt der Boers und Engländer, Kokon, Fnkonekone, Numbo, Unſoſo 2c. dex Eingeborenen (Catoblepas taurinus, Antilope taurina und gorgon), iſt mertlith größer als das Gnu, da ſeine Geſamtlänge reichlich 3 m, die Höhe am Widerriſte 1,6 m beträgt, unterſcheidet ſi{h auh durch die ſtark gebogene Namsnaſe, den bedeutend höheren Widerriſt ſowie die längere Na>en- und Halsmähne weſentlih von dem Verwandten. Die vorherrſchende Färbung iſt cin dunkles Aſchgrau, von welchem ſ{<hwarze Querſtreifen ſich deutlih abheben; das Geſicht