Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

462 Elfte Ordnung: Paarzeher; fünſte Familie: Hirſche.

niht gewahr werden konnte, zog ih No> und Weſte aus und ließ das Unterteil des Hemdes ſo über die Beinkleider herabhängen, daß es einer Fuhrmannskutte glih. Die Büchîe in der Hand, ging ih meinen Weg fort. Das Wild faßte mich ſogleich ins Auge und bewies dur mancherlei Bewegungen, daß es niht ganz ruhig ſei. F< machte einen neuen Verſu, mih ihm, während ih fortſang, tanzend und ſpringend zu nähern; au<h das Wild machte allerhand muntere Bewegungen, ohne aber flüchtig zu werden, bis mein Schuß aus Spaß Ernſt machte und nach demſelben ein Stück zuſammenbrach.“ An ein einzeln äſendes Stüc kann man ſich ziemlih leiht heranſchleihen, falls man den Wind gut wahrnimmt; vor Pferden und Fuhrwerken hält es eben faſt immer aus. Das Damwild liebt es, au<h beim Treiben ſi im niederen dichten Pflanzenwu<hſe zu drü>en und wird in der Feiſtzeit ſo läſſig und bequem, daß man vereinzelt ruhende Stücke faſt wie Haſen aufſtoßen fann,

Die Haut des Damwildes wird ihrer Dehnbarkeit und Weiche halber mehr geſät als die des Edelwildes. Das Wildbret iſt ſehr le>er, am beſten vom Juli bis zur Mitte des Septembers, wo der Hirſh viel Feiſt auflegt. Nur wenn die Paarungszeit herannaht, nimmt das Wildbret des Hirſches einen Bo>sgeruch an.

Zum Beſeßen von Tierparks eignet ſi< das Damwild beſſer als irgend eine andere Hirſchart, wird leicht vertraut, ſteht auh am Tage auf Blößen, iſt munter, ſogar mutwillig und viel zum Scherzen aufgelegt. Jn einer Hinſicht kann es auch als Wetterprophet gelten: wenn es ſi beſonders unruhig und fahrig zeigt, kann man ziemlich ſicher annehmen, daß unfreundlihe, namentlih ſtürmiſche Witterung herannaht. Seine Munterkteit bewahrt das Damwild auch in engerer Gefangenſchaft, an welche es ſih leiht gewöhnt. Jung eingefangene, mit Kuh- oder Ziegenmil< aufgezogene Kälber werden ungemein zahm und können dahin gebracht werden, daß ſie ihrem Herrn wie ein Hund nachlaufen, ihn ſelbſt auf der Hühnerjagd begleiten. Für Muſik ſcheint das Damwild eine ganz beſondere Liebhaberei an den Tag zu legen; ſelbſt das freilebende kommt, wenn es die Töne des Hornes vernimmt, näher und näher, um zuzuhören. Männliche Damhirſche werden in der Gefangenſchaft, wenn die Paarungszeit herannaht, böſe und kampfluſtig, wie alle im engen Gewahrſame gehaltenen Hirſche, gehen dreiſt auf den Menſchen los und können ihn empfindlich verlegen. Nach eigenen Erfahrungen ſuchen ſie im tollen Übermute ſogar mit anderen, ſtärkeren Hirſchen anzubinden und laſſen ſi ſelbſt durch derbe Abfertigungen niht belehren.

Bei den Hirſchen im engſten Sinne, den Edelhirſchen, die den beiden nordiſchen Reichen angehören , tragen ebenfalls bloß die männlichen Glieder Geweihe mit runden Äſten oder Stangen. Von den mehr oder weniger zahlreichen Sproſſen ſind mindeſtens drei nah vorwärts gerichtet, Augen- und Mittelſproſſe immer, die Eisſproſſe weniger regelmäßig vorhanden. An der Außenſeite des Mittelfußes befinden ſi< Haarbüſchel. Die Thränengruben ſind deutlich. Bei alten Männchen (ſeltener auth bei ſehr alten Weibchen) treten die Eczähne im Oberkiefer über die anderen weit hervor. Die Edelhirſche bilden eine be-

fondere Untergattung ihrer gleihnamigen Gattung (Cervus).

Eine der ſtattlichſten und edelſten Geſtalten dieſer Untergattung, für uns die wichtigſte aller Arten, iſt der Edel- oder Rothirſch (Cervus elaphnus). Ungeachtet ſeiner Schlank: heit iſt er doh kräftig und ſ{hön gebaut und ſeine Haltung eine ſo edle und ſtolze, daß er ſeinen Namen mit vollſtem Rechte führt. Seine Größe ſchwankt bedeutend, je nath der „Raſſe“, je nah der Gegend, in welcher er heimiſch iſt. Er erreicht eine Geſamtlänge von 1,85—2,15 m, wovon etwa 15 cm auf den Wedel entfallen, eine Schulterhöhe von 1,21,5 m, und ein Geſamtgewicht von etwa 160 — 270 kg; doh fommen au< ungewöhnlih