Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Virginiahirſ<: Verbreitung. Aufenthalt. Nahrung. 485

Dieſen überſichtlihen Worten, welche dem Prinzen von Wied entlehnt ſind, will ih einiges aus der Schilderung Audubons hinzufügen. „Das Wild“, ſagt er, „hängt feſt an dem einmal gewählten Plaße und kehrt nah Verfolgung immer wieder zu ihm zurü>. Allerdings thut es ſi< während der verſchiedenen Tage gewöhnlih niht auf demſelben Bette nieder, wird aber doh in derſelben Gegend gefunden, oft keine 50 Schritt von der Stelle, von welcher es früher aufgeſtört worden war. Seine Lieblingspläße ſind alte Felder, welche teilweiſe von Buſhwald wieder in Beſiß genommen worden ſind und deswegen ihm Schuß gewähren. Fn den ſüdlichen Staaten ſucht es ſih, und zwar namentli<h im Sommer, wenn es weniger verfolgt wird, oft die äußeren Hage der Pflanzungen auf und ſteht hier während des Tages in einem düſtern Di>kicht zwiſchen Rohr, wildem Weine und Dornengeſtrüpp, jedenfalls in möglihſter Nähe ſeines Weidegrundes. Doch iſt dieſe Vorliebe für derartige Ortlihßkeiten niht allgemein: oft findet man auth zahlreiche Spuren des Wildes in Feldern, welche nur von fern her beſucht werden. Jn den Gebirgsgegenden bemerkt man zuweilen ein Stüc auf einem hervorragenden Felspunkte niedergethan, dem Steinbo>e oder der Alpengemſe vergleihbar; gewöhnli<h aber verbirgt ſich das Wild zwiſchen allerlei niedrigem Gebüſche, neben umgefallenen Bäumen und an ähnlichen Orten. Fn der kalten Fahreszeit bevorzugt es die geſhüßten und tro>tenen Pläge, ſteht dann gern unter dem Winde und läßt ſi< von den Sonnenſtrahlen wärmen; im Sommer zieht es ſi< während des Tages in die ſchattigen Teile des Waldes zurü> und hält ſi< in der Nähe kleiner Flüſſe oder tühler Ströme auf. Um der Verfolgung der Müken und Stechfliegen zu entgehen, flüchtet es ſih oft in einen Fluß oder Teich und liegt hier bis zur Naſe im Waſſer.

„Die Äſung des Wildes iſt nah der Jahreszeit verſchieden. Jm Winter geht es die Zweige und Blätter des Gebüſches an, im Frühlinge und Sommer wählt es ſi, und zwar mit größter Le>erhaſtigkeit, das zarteſte Gras aus und kommt oft, dem jungen Maiſe und anderem Getreide nahgehend, in die Felder herein. Beeren verſchiedener Art, Nüſſe und ähnliche Früchte liebt es ungemein. Bei ſo reihlicher Auswahl an Äſung ſollte man meinen, daß es beſtändig gut von Wildbret ſei; dies iſt jedo< niht der Fall, denn mit Ausnahme gewiſſer Jahreszeiten iſt dieſer Hirſh ſehr ſ{hle<t vom Leibe. Die Hirſche ſind vom Auguſt bis zum November feiſt. Wir ſelbſt haben ſolche erlegt, welche an 80 kg wogen, und ſind berichtet worden, daß einzelne ein Gewiht von mehr als 90 kg erreichen. Die Brunft beginnt, in Carolina wenigſtens, im November, man<hmal auh etwas eher. Der Hirſch iſt jebt fortwährend auf den Beinen, faſt beſtändig im Rennen, um ſeine Gegner aufzuſuchen. Wenn er mit anderen Hirſchen zuſammentrifft, beginnt ein heftiger Zweikampf, in welchen man<hmal einer getötet wird; nicht ſelten verfangen ſih zwei gleich ſtarke Hirſche ſo vollſtändig mit den Geweihen, daß ſie niht wieder voneinander loskommen können und in kläglicher Weiſe zu Grunde gehen. Wir haben uns bemüht, derartig verſchlungene Geweihe zu trennen, aber gefunden, daß weder unſere Geſchi>lichkeit noh unſere Kraft dies auszuführen vermochte. Verſchiedene Male haben wir zwei und einmal drei Paare von Geweihen ſo verfangen geſehen. Die Brunſt währt ungeſähr zwei Monate und beginnt bei den älteren Hirſchen eher als bei den jüngeren. Gegen den Monat Januar werfen die Hirſche ab, und von dieſer Zeit an leben ſie friedli<h miteinander vereinigt.

„Die Tiere ſind am feiſteſten vom November bis zum Januar, fallen hierauf ab, um ſo mehr, je näher die Saßzeit heranrüct und nehmen wieder zu, während ihre Kälber ſie beſaugen. Dieſe werden in Carolina im April geboren; Shhmaltiere hingegen ſeßen gewöhnlih erſt im Mai oder Juni. Jn den nördlichen Staaten tritt die Saßzeit etwas ſpäter ein als in Florida und Texas. Auffallend, aber vollkommen begründet iſt, daß in Alabama und Florida die Mehrzahl der Kälber im November geboren werden. Das Tier verbirgt ſein friſ{< geſeßtes Kalb unter einem dichten Buſche oder im hohen Graſe und beſuht es mehrmals