Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

504 Elfte Ordnung: Paarzeher; ſe<ſte Familie: Moſhustiere.

unſerem Hirſche Tiger und Panther eifrig nah. Doch das milde Klima mit ſeinem Reichtume an Nahrung ſagt ihm fo außerordentlich zu, daß alle Verluſte, e Menſch und Raubtier ſeinem Beſtande bringen, ſ{<nell gede>t werden.

Die Gefangenſchaft hält der Kidang in ſeinem Vaterlande ſehr gut und auh in Europa ret leidlih aus. Man findet ihn oft im Beſiße der Europäer und Eingeborenen; doch verlangt ex, wenn ex ſi< wohl befinden ſoll, einen geräumigen Tummelplaßz und reichliches Futter; Sterndale hat in Fndien beobachtet, daß ſeine Gefangenen Fleiſch aller Art gierig verſchlangen. Fm allgemeinen zuthulih und anhänglih an ſeinen Pfleger, iſt er do ein eter Hirſh, jähzornig, leiht reizbar und dann boshaft wie ſeine Verwandten. Bei der Verteidigung wie beim Angriffe gebrau<ht er niht allein das Geweih, ſondern auc feine Zähne, fährt, kaut S<hmidt, wie ein biſſiger Hund auf den Gegner los und bringt dieſem unter Umſtänden wenn au< niht gefährliche, ſo doh ſ{<merzhafte Wunden bei. Wahrſcheinlih verfährt er bei Kämpfen mit Nebenbuhlern ebenſo. Kinlo<h bezeihnet die langen Ecézähne des Männchens als niht zu unterſhäßende Waffen, da das Tier ſie vortrefflich zu gebrauchen verſtehe; von durhaus glaubwürdiger Seite iſt ihm überdies verſichert worden, daß ein geſtellter Bok ſelbſt kräftige Hunde mit dieſen Zähnen nicht bloß ſ<hlimm verwundet, ſondern ſogar getötet habe.

Das Wildbret des Muntdſchaks wird zwar mager, aber doh wohlſ<me>end genannt.

Einzelne Naturforſcher vereinigten mehrere kleine, hö<hſt zierlih gebaute Wiederkäuer, unter denen ſih auch die Zwerge der ganzen Ordnung befinden, die Moſchustiere und Zwergmoſchustiere nämlih, mit den Hirſchen; wir ſehen in ihnen beſondere Familien.

Die Moſchustiere (Moschidae) haben fein Geweih, keine Thränengruben, feine Haarbürſte an den Hinterfüßen und einen verkümmerten Shwanz. Die Männchen zeihnen ſich neben denen der Zwergmoſchustiere vor allen übrigen Wiederkäuern dur lange hervorragende Ezähne im Oberkiefer aus, welche nah abwärts aus dem Maule hervorragen. Jm Oberkiefer fehlen die Schneidezähne, im Unterkiefer ſtehen 3 Schneidezähne ſowie 1 E<zahn und in beiden Kiefern je 6 Ba>kenzähne. Die Weichteile ähneln denen der Antilopen und Hirſche; der Magen iſt in vier Abteilungen geſchieden, während bei den Zwergmoſchustieren der Blättermagen fehlt. Die Männchen beſißen in der Nabelgegend einen Beutel, welcher Moſchus abſondert. Von den Hirſchen unterſcheiden ſih die Moſchustiere dur das Fehlen eines Geweihes den Mangel der Thränendrüſen, das Vorhandenſein der Gallenblaſe und anderweitige Merkmale erheblich genug, um die gegenwärtig allgemein anerkannte Trennung beider Familien zu re<htfertigen. Die Hochgebirge von China und Tibet ſind die Heimat der Moſchustiere. Dort leben ſie in den felſigſten Gegenden, ſelten in den Thälern, in welche ſie eigentlih bloß dann herabſtreihen, wenn ſie der ſtrenge Winter von ihren Höhen vertreibt und der aS ſie zwingt, ſich nah günſtigeren Gebieten zu wenden.

Wie bei den meiſten Wiederkäuern beginnt das Leben der Moſchustiere erſt nah Sonnenuntergang; den Tag über liegen ſie an verborgenen Orten verſte>t und ſchlafen. Sie ſind lebhaft und behende, leiht und ſhnell in ihren Bewegungen, ſpringen und klettern vortrefflich und laufen gemſengleih über die Schneefelder hinweg. Sie zeigen ſich ſehr {heu und furhtſam und verſuchen bei der geringſten Gefahr zu entfliehen. An die Gefangenſchaft gewöhnen ſie ſih ſehr bald, laſſen ſih ohne Umſtände zähmen und ſchließen mit den Menſchen ziemlich innige Freundſchaft ohne jedoh die ihnen angeborene Scheu gänzlich zu verlieren.

Man jagt die Moſchustiere ihres Fleiſches und ihres Felles wegen, aber auh ganz beſonders des Moſchus halber, welcher, wie bekannt, noh heutzutage als ein höchſt wichtiges Arzneimittel angeſehen wird.