Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Flußpferd: Weſen. Reizbarkeit. Angriffe. 545

Ähnliche Geſchichten, mannigfah ausgeſ<müd>t und vervielfältigt, ſind zwar niht in allen von unſeren Di>häutern bewohnten Gebieten, doch in vielen allgemein im Umlaufe, und wer ſie vernimmt, ſollte meinen, daß ſie alltägliche Vorkommniſſe behandelten. Dieſe Auffaſſung wäre jedo<h ebenſo unrichtig wie etwa die, daß beim Betriebe der Eiſenbahnen Unfälle vorherrſchten. Da die Flußpferde ſtellenweiſe recht häufig, ſogar verhältnismäßig maſſenhaft auftreten, müßte doh, wenn ſie wirklich ſo gefährlih wären, \<hließli< jeder Verkehr auf fo belebten Gewäſſern aufhören oder doh ſehr geſtört werden. Davon iſt aber nichts zu bemerken. Unzählige Male fahren \{<wanke Einbäume an den rieſigen Tieren vorüber, zwiſchen ihnen hindur<, und werden niht beläſtigt. Wird aber einmal ein Kahn von einem ſolchen Tiere vielleicht zufällig beim Auftauchen berührt oder umgeworfen, von dem erſhre>ten oder ſich angegriffen glaubenden gar beſchädigt, ſo wird davon, wie es in der Natur des Menſchen liegt, ſo viel Aufhebens gemacht, daß die ſehr ſeltene Ausnahme [<ließlih als Regel erſcheint. Zuſammenſtöße, Unfälle und auch Unglü>sfälle kommen vor, aber doh weit ſpärlicher als man nach den Überlieferungen glauben ſollte. Von zuverläſſigen Gewährsmännern verbürgte Vorfälle, Selbſterlebniſſe, finden ſih überaus ſelten. Jeder ruhige Beobachter, welcher Flußpferden oft begegnet iſt und ſie auch regelre<t gejagt hat, gewinnt die Überzeugung, daß die Furcht vor ihnen zwar niht gänzlich unberechtigt, aber doh allzuſehr übertrieben iſ, daß eben darum ungeſhla<te Äußerungen des Übermutes, der harmloſen Spielluſt gar zu leiht als bö8willige und abſichtliche Angriffe gedeutet werden. Gewiß iſt au< das Gebaren der Tiere re<t verſchieden, je nah äußeren Umſtänden, je nath ihrer beſonderen Veranlagung und Erfahrung; auch darf man annehmen, daß ihr Weſen in verſchiedenen Gebieten abweichend geartet iſt.

Am gefährlichſten iſ das Flußpferd, wenn es ein Junges zu ſchirmen hat. Über die Zeugung, die Geburt der Jungen und die Dauer der Tragzeit -hat man erſt in der Neuzeit an Gefangenen Beobachtungen gemacht, da dieſe ſih ſhon einige Male fortgepflanzt haben. Von der Fortpflanzung der freilebenden Tiere weiß man nur ſo viel, daß ein Junges etwa im erſten Drittel der Regenzeit, welche die meiſte und ſaftigſte Nahrung bringt, demnach in den verſchiedenen Ländern Afrikas zu ſehr verſchiedener Zeit, geboren wird, je nachdem der Frühling der Wendekreisländer dort eintritt. Die für ihr Kind zärtlih beſorgte Mutter ſieht auh in den unſhuldigſten Dingen Gefahr; vielleicht wacht auh der Vater ſ{hüßend über ſeinen Sprößling. Die Mutter iſt leicht zu erkennen; ſie läßt ihr Kind keinen Augenbli> aus den Augen und bewatt jede ſeiner Bewegungen mit mütterlicher Luſt und zärtlicher Sorge. Zuweilen ſpielt das ungefügige Tier luſtig mit ſeinem Lieblinge: beide tauchen ſherzend auf und nieder und unterhalten ſi< mit Brummen. Jedenfalls ſaugt das Junge im Waſſer, aber von Heuglin berichtet auh, daß das Weibchen auf dem Lande oder im Sumpfe auf einem möglichſt verſte>ten Lager ſein Funges zur Welt bringe, es jedo<h niht immer ſoglei< zum Fluſſe führe, ſondern zuweilen auh in eine Grube ſte>e welche das ïleine Tier ohne Hilfe der Alten nicht verlaſſen kann. Jm Waſſer tragen die Mütter ihre Kinder gewöhnlih auf dem Naten reitend und heben ſie, damit ſie atmen können, häufiger über das Waſſer empor, als ſie ſelbſt auftauchen. Ob die Mütter ihre Fungen auf dem Naen reitend regelmäßig au zu Lande mit ſi< nehmen, iſt no< nict feſtgeſtellt; daß es vorkommt, hat D. Hopkins wenigſtens einmal beobachtet.

Die blinde Wut eines gereizten Flußpferdes zeigt flar genug, daß die Jagd des Tieres ohne Feuerwaffen, welche ſehr ſtarke Ladungen ſchießen, eben kein Vergnügen für Sonntags[hüten iſt. Leichte Büchſenkugeln haben, ſelbſt wenn ſie aus geringer Entfernung abgeſchoſſen werden, ſo gut wie keinen Erfolg. „Mit einem der Flußpferde, welches wir erlegten“, erzählt Rüppell, „kämpften wir 4 Stunden lang. Wenig fehlte, daß die Beſtie unſere große Barke und mit ihr uns alle vernichtet hätte, Die 25 Flintenkugeln, in einer Entfernung

Brehm, Tierleben, 3. Auflage. III. 35