Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

558 Zwölfte Drdnung: Sirenen.

Die dicke Haut wird in Streifen geſchnitten, zu Peitſchen und ebenſo zu Stri>en verwendet; dieſe ſind jedo< im Waſſer unbrauchbar, weil ſie faulen.

Schon aus älteren Schriften erfahren wir, daß der Lamantin ſi< au< zähmen laſſe. Martyx, ein Reiſender, welcher im erſten Viertel des 16. Fahrhunderts ſtarb, erzählt, daß ein Kazike auf der Fnſel San Domingo einen jungen, no< kleinen Fiſh, welcher Manato heißt und im Meere gefangen wurde, in einen See ſegen und ihm tägli<h Brot aus welſhem Korne geben ließ. „Er wurde allmählih ſehr zahm, fam jedesmal herbei, wenn man ihn rief, fraß das Brot aus der Hand und ließ ſi überall ſtreicheln, trug au< einige Male Leute, welche ſih auf ihn ſeßten, umher, wohin ſie wollten, von einem Ufer zum anderen. Dieſer freundliche und zahme Fiſh wurde lange im See gehalten, zum großen Vergnügen eines jeden. Aus allen Teilen der Jnſel kamen Leute herbei, welche ſehen wollten, wie er auf den Ruf ans Ufer kam und diejenigen, die ſih auf ſeinen Rüden ſezten, von einem Uſer zum anderen trug. Als aber einmal ein ſtarïes Gewitter losbrah und viel Waſſex von den Bergen in den See ſtrömte, trat dieſer aus und führte den Manato wieder ins Meer, wo er niht mehr geſehen wurde.“ Gomara, welcher unzweifelhaft dieſelbe Geſchichte erzählt, fügt no< hinzu, daß der Manato 26 Jahre in dem See Guaynabo gelebt habe und ſo groß wie ein Delphin geworden ſei.

Neuere Mitteilungen verſchiedener Berichterſtatter beſtätigen die Wahrſcheinlichkeit vorſtehender Geſchichten. Kappler beſchäftigte ſi<h in Surinam mit der Zähmung eines jungen Lamantins und ſchrieb darüber an H. von Roſenberg, dem ih die Nachricht verdanke, das Nachſtehende: „Sobald ih das Tier bekam, ließ ih ungefähr 100 m von der Oberfläche eines in den Fluß mündenden Baches abſchließen und ſeßte meinen Zögling dahinein. Derſelbe nahm anfangs kein Futter, wohl aber Milch, welche ihm jedo< mit einiger Gewalt in das Maul geflößt werden mußte. Sobald er genug Milch getrunken hatte, ſchüttelte er mit dem Kopfe, worauf wir ihm Stücke reifer Bananen in das Maul ſchoben. Bei jeder Fütterung, morgens und abends um 5 Uhx, genoß das Tier 0,5 Liter Milch und 6—8 kleine Bananen; die Fütterung ſelbſt aber dauerte öfters drei Viertelſtunden, weil der Lamantin nit ſelten wegſhwamm, minutenlang im Waſſer ſpielte, wieder zurü>fam und aufs neue davoneilte. Ex war zuleßt ſehr zahm geworden, bekundete aber wenig Verſtand und hatte offenbar nur ein ſ{hwaches Geſicht und Gehör. Erſchien ih an ſeinem Be>en und trat ih ins Waſſer, ſo kam er ſogleih herbei, ſ<hnüffelte an meinen Beinen herum und kletterte, wenn ih mich ſeßte, auf meinen Schoß. Leider ſtarb er nah 17monatiger Gefangenſchaft an Bord des Dampfers, welcher ihn nah England bringen ſollte.“ Jm Fahre 1864 beſaß der öſterreihiſhe Konſul zu Portorico, Latimer, ein Pärchen lebender Manaten und hielt dieſelben in einem größeren Be>en oder waſſerdichten Kaſten, welcher an den Seiten einige Höhlungen hatte, ſandte auh ſie ſpäter nah England ab, war jedo< niht glü>licher als Kappler. Endlich erfahren wir dux< Cunningham, daß man ſeit dem Fahre 1867 zwei Manaten in einem Waſſerbe>en des öffentlihen Gartens zu Rio de Janeiro gefangen hielt, und zwar in Geſellſchaft mit verſchiedenen Kaimans und einer Anzahl von Waſſervögeln. Die Manaten waren im Jahre 1870 etwa 1,5 m lang und befanden ſi<h augenſcheinlich vollkommen wohl in dem ihnen angewieſenen beſ<hränkten Raume. Der eine bekundete eine abſonderliche Vorliebe für die Geſellſchaft eines gefangenen Shwanes, welcher ſih auch ſeinerſeits an den ſonderbaren Geſellen gewöhnt hatte, und folgte ihm ſo getreulih nah, daß die regelmäßigen Beſucher des Gartens ſtets wußten, wo ſie die Sirene zu ſuchen hatten. Dieſer Lamantin war nah und nach ſo zahm geworden, daß er oft herbeikam, wenn man ihm Gras auf die Oberfläche des Waſſers warf, ſeine abſonderlih beborſteten Lippen aus dem Waſſer herausſtre>te und das ihm dargebotene Futter aus den Händen der Leute nahm. Cunningham ſah ihn auh wiederholt das Gras an den Seiten des Beens abweiden,