Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Lamantin: Verbreitung. Leben8weiſe. Jagd. Nuzßung. DB

Kap Nord, vor allem aber Surinam. Wahrſcheinlich iſt er die einzige Sirene des Meerbuſens von Mexiko. A. von Humboldt beobachtete, daß ſih die Lamantine im Meere gern auf Stellen aufhalten, wo es ſüße Quellen gibt; in Flüſſen ſteigen ſie weit aufwärts, und bei Überſhwemmungen wandern ſie auch in die Seen und Sümpfe. „Abends“, ſo erzählt Humboldt, „kamen wir an der Mündung des Caño del Manati vorüber, ſo genannt wegen der ungeheueren Menge Lamantine oder Manatis, welche jährlich hier gefangen werden. Wir ſahen das Waſſer mit dem ſehr ſtinkenden Kote derſelben bede>t. Am Orinoko unterhalb der Waſſerfälle, im Meta und im Apure ſind ſie ſehr häufig.“

Die Lebensweiſe des Lamantin iſt ſo ziemlih die anderer Sirenen. Einige Reiſende haben angegeben, daß er zuweilen aus dem Waſſer herausgehe, um auf dem Lande zu weiden; aber ſhon im vorigen Jahrhundert haben andere dies aufs beſtimmteſte widerlegt. Er weidet nur das Gras ab, welches im Waſſer ſelbſt wächſt. Da alle ſüdlichen Ströme an ruhigen Stellen überaus rei<h an Waſſerpflanzen aller Art ſind, leidet er weder Not, noh iſt er genötigt, weit umher zu ſhwimmen. Er frißt ſo viel, daß er Magen und Darm[<laut vollſtändig mit Nahrung anfüllt, legt ſi< aber, nachdem er ſih geſättigt hat, an ſeichten Stellen oft ſo nieder, daß er die Schnauze aus dem Waſſer re>t alſo niht immer auf und nieder zu tauchen braucht, und verſchläft ſo einige Stunden des Tages. Während ſeines Wachſeins ſieht man ihn nur dann über dem Waſſer, wenn er, um Luft zu holen, emporkommt; dies geſchieht aber troß der großen Luftbehälter ſehr oft, und deshalb wohl bevorzugt er die ſeihteren Stellen in den Flüſſen. Die Zeit der Paarung ſcheint noh niht bekannt zu ſein, und ſelbſt über die Fortpflanzung ſchwanken die Nachrichten. Einige ſagen, daß das Weibchen zwei Junge werfe, während andere nur von einem eingigen reden. Die Anhänglichkeit der Mutter an ihre Kinder wird gerühmt. An allen Orten, wo der Lamantin vorkommt, wird ihm eifrig nachgeſtellt. Sein Fleiſch gilt zwar für ungeſund und fiebererzeugend, iſt aber ſehr {<mad>haft. Nah Humboldt ähnelt es mehr dem Fleiſhe des Schweines als dem des Rindes; eingeſalzen und an der Sonne gedörrt wird es für das ganze Jahr aufbewahrt. Schon Gonzalo Oviedo rühmt es und erzählt, daß er davon im Jahre 1531 einiges mit bis na< Spanien gebracht und es bei Hofe vorgeſeßt habe. „Es ſ<med>te allen ſo gut“, ſagt er, „daß ſie glaubten, ſie äßen Fleiſch aus England.“ Viele Fndianer kennen kein beſſeres Gericht als Lamantinfleiſh und beſchäftigen ſih deshalb eifrig mit dem Fange der Tiere; andere dagegen behaupten, daß die Leute ihres Stammes unfehlbar ſtürben, wenn ſie davon äßen, und verabſcheuen deshalb das Tier jo ſehr, daß ſie ſi, als Bonpland eine Seekuh zerlegte, verſte>ten, um ſie nicht anrühren zu müſſen.

Die Jagd iſt ziemlih einfah. Man nähert ſi< in einem Kahne dem Weideplate der Lamantine und wartet, bis einer derſelben zum Atmen emporkommt. Auf ihn ſchießt man entweder Pfeile ab, an denen Stricke und leichte Holzblöe befeſtigt ſind, welche ſpäter den Weg des Tieres angeben, oder man harpuniert, tötet und ſ<hlahtet ihn in dem kleinen Boote, welches man zu den Reiſen auf ſüdamerikaniſchen Flüſſen benußt. Leßteres geſchieht oſt mitten auf dem Fluſſe, und zwar ſo, daß man das Boot zu zwei Dritteilen mit Waſſer füllt, es hierauf unter den Lamantin ſchiebt und ſodann mit einer Kürbisflaſche wieder ausſhöpſt. Am leichteſten fängt man das Tier gegen Ende der Überſ <wemmung, wenn es aus den Strömen in die umliegenden großen Seen und Sümpfe geraten iſt und das Waſſer in ihnen ſ<nell fällt. Zur Zeit, als die Jeſuiten den Miſſionen am unteren Orinoko vorſtanden, famen ſie alle Jahre unterhalb des Apure zuſammen, um mit den Jndianern aus ihren Kirc)ſpielen eine große Sirenenjagd anzuſtellen. Das Fett des erbeuteten Tieres, welches ſowohl in den Kirchenlampen gebrannt als auh vielfah zum Kochen benußt wird, hat durchaus niht den widrigen Geruch des Walfiſhthranes oder des Fettes anderer Seeſäugetiere.