Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Stellers Seekuh: Geſchichtliches. Vorkommen. Weſen. 565

__ breit. Es hat übrigens dieſes Tier außer der Schwanzfloſſe keine andere auf dem Rücken, wodurch es von den Walfiſchen abgeht. Die Schwanzfloſſe ſteht wagerecht wie bei den Walen und Delphinen.

„Dieſe Tiere leben, wie das Rindvieh, herdenweiſe in der See. Gemeiniglih gehen Männlein und Weiblein nebeneinander, das Funge treiben ſie vor ſih hin am Ufer umher. Sie ſind mit nichts anderem als ihrer Nahrung beſchäftigt. Der Rücken und die Hälfte des Leibes iſt beſtändig über dem Waſſer zu ſehen. Sie freſſen, wie die Landtiere, unter langſamer Bewegung vor ſi hin; mit den Füßen ſcharren ſie das Seegras von den Steinen ab und auen es unaufhörlih; doch lehrte mich die Beſchaffenheit des Magens, daß ſie niht wiedertäuen, wie ih anfangs vermutete. Unter dem Freſſen bewegen fie den Kopf und Hals wie ein Oſe, und je nah Verlauf einiger Minuten erheben ſie den Kopf aus dem Waſſer und ſ{höpfen mit Räuſpern und Shnarchen, nach Art der Pferde, friſche Luft. Wenn das Waſſer fällt, begeben ſie ſi< vom Lande in die See, mit zunehmendem Waſſer aber wieder nah dem Seerande, und kommen oft ſo nahe, daß wir ſelbige vom Lande mit Stöcken ſhlagen und erreichen fonnten. Einige ſuchten durch einen geſ<loſſenen Kreis den verwundeten Kameraden vom Ufer abzuhalten andere verſuchten die Jolle umzuwerfen; einige legten ſich auf die Seite oder ſuhten die Harpune aus dem Leibe zu ſhlagen, welches ihnen verſchiedene Male au glü>li< gelang. Wir bemerkten auh niht ohne Verwunderung, daß ein Männlein zu ſeinem am Strande liegenden, toten Weiblein zwei Tage naqheinander fam, als wenn es ſi nach deſſen Zuſtande erkundigen wollte. Dennoch blieben ſie, jo viele auh von ihnen verwundet und getötet wurden, immer in derſelben Gegend. Jhre Begattung geſchieht im Junius nah langem Vorſpiele.

„Wenn dieſe Tiere auf dem Lande der Nuhe pflegen wollen, ſo legen ſie ſi bei einer Einbucht an einem ſtillen Orte auf den Nücfen und laſſen ſi wie Klöße auf der See treiben. Sie finden ſi zu allen Zeiten des Jahres allenthalben um dieſe Fnſel in größter Menge, ſo daß alle Bewohner der Oſtküſte von Kamtſchatka ſih davon jährlih zum Überfluſſe mit Spe> und Fleiſch verſorgen könnten. Die Haut der Seekuh hat ein doppeltes Weſen: die äußerſte Schale der Haut iſt \{<warz oder ſ<warzbraun, einen Zoll di> und an Feſtigkeit faſt wie Pantoffelholz, um den Kopf voller Gruben, Nunzeln und Löcher. Sie beſteht aus lauter ſenkrechten Faſern, welche wie im Strahlengips hart aneinander liegen. Dieſe äußere Schale, welche ſich leiht von der Haut abſchält, iſt meinem Bedünken nah eine aus aneinander ſtehenden, verwandelten Haaren zuſammengeſeßte Dee, die ih ebenſo bei Walſiſchen- gefunden habe. Die untere Haut iſt etwas dier als eine Owſenhaut, ſehr ſtark und an Farbe weiß. Unter dieſen beiden umgibt den ganzen Körper des Tieres der Fettlappen oder Spe> vier Finger hoch, alsdann folgt das Fleiſh. J<h ſhäße das Gewicht des Tieres mit Einſchluß von Haut, Fett, Spe, Knochen und Gedärmen auf 1200 Pud oder 480 Zentner. Das Fett iſt nicht öligt oder weihlih, ſondern härtlich und druſigt, ſ<neeweiß, und wenn es einige Tage an der Sonne gelegen, ſo angenehm gelblih wie die beſte holländiſche Butter. An ſi ſelbſt gekocht, übertrifft es an Süßigkeit und Geſhma> das beſte Rindsfett; ausgeſotten iſt es an Farbe und Friſchheit wie friſches Baumöl an Geſhma> wie ¡úßes Mandelöl und von ausnehmend gutem Geruche und Nahrung, dergeſtalt daß wir ſoles ſhalenweiſe getrunken, ohne den geringſten Ekel zu empfinden. Der Schwanz beſteht faſt aus lauter Fett, und dieſes iſt noch viel angenehmer als das an den übrigen Teilen des Körpers befindliche. Das Fett von den Kälbern vergleicht ſih gänzlich dem jungen Shweine[leiſhe, das Fleiſch derſelben aber dem Kalbfleiſhe. Es quillt dabei dergeſtalt auf, daß es faſt no< einmal ſo viel Raum einnimmt, und kot in einer halben Stunde gar. Das Fleiſch der alten Tiere iſt vom Nindfleiſche nicht zu unterſcheiden ; es hat aber die ganz beſondere Eigenſchaft, daß es auch in den heißeſten Sommermonaten in der freien Luft, ohne