Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

564 : i Zwölfte Ordnung: Sirenen.

1768 unter Popoff die lette Seekuh erlegt worden ſei; Bragin erwähnt ſie ſhon 1772 nicht mehr. Aber Nordenſkiöld, der die Beringinſel 1879 beſuchte, iſt anderer Meinung: er befragte mehrere alte Leute und erfuhr, daß Seekühe noh 1779 oder 1780 getötet und no< viele Jahrzehnte ſpäter wenigſtens geſehen worden ſeien; er iſt deshalb geneigt, das wirkliche Ende des Rhytinageſchlechtes erſt in das Fahr 1854 zu verlegen. Wie dem auch ſein möge, jedenfalls ſind Reſte des merkwürdigen Tieres bei weitem nicht ſo ſelten, wie man geglaubt hat, denn Nordenſkiöld vermochte noh ſo viele Knochen, darunter drei vollſtändige und etlihe etwas beſchädigte Schädel, zuſammenzubringen, daß mit ihnen 21 Fäſſer und Kiſten gefüllt wurden.

Steller hielt das Borkentier für den von Hernandez entde>ten Lamantin. Aus ſeiner Beſchreibung geht aber deutlich genug hervor, daß die Seefuh ein von den früher beſhriebenen Sirenen ſehr verſchiedenes Geſchöpf war. Anſtatt der Zähne waren die Kiefern mit vier Kauplatten belegt, welhe nur mit dem Zahnfleiſhe zuſammenhingen. Dieſe einzige Angabe genügt zur Kennzeihnung des Tieres.

„Die größten von dieſen Tieren“, fährt Steller fort, „ſind 4—5 Faden (etwa 8 bis 10 m) lang und an der ſtärkſten Stelle, um die Gegend des Nabels, 3!/2 Faden di>. Bis an den Nabel vergleicht ſi dies Tier den Robbenarten, von da bis an den Schwanz einem Fiſche. Der Kopf vom Gerippe iſt von einem Pferdekopfe in der allgemeinen Geſtalt nicht unterſchieden; wo er aber mit Fell und Fleiſh no<h überkleidet iſt, gleicht er einigermaßen einem Büffelkopfe, beſonders was die Lippen anbetrifft. Fm Munde hat es ſtatt der Zähne auf jeder Seite zwei breite, längliche, glatte, loŒere Knochen, davon der eine oben im Gaumen, der andere inwendig am Unterkiefer angeheftet iſt. Beide ſind mit vielen, ſhräg im Winkel zuſammenlaufenden Furchen und erhabenen Schwielen verſehen, mit denen das Tier ſeine gewöhnlihe Nahrung, die Seekräuter, zermalmt. Die Lippen ſind mit vielen ſtarken Borſten beſetzt, davon die am Unterkiefer dergeſtalt did ſind, daß ſie Federkiele von Hühnern vorſtellen könnten und dur< ihre inwendige Höhle den Bau: der Haare tlärlih vor Augen legen. Die Augen dieſes ſo großen Tieres ſind nicht größer als Schafs3augen und ohne Augenlider; die Ohrlöcher ſind dergeſtalt klein und verborgen, daß man ſie unter den vielen Gruben und Runzeln der Haut niht finden und erkennen kann, bevor man die Haut nicht abgelöſt, da dann der Ohrgang durch ſeine polierte Shwärze in die Augen fällt, obwohl er kaum ſo geraum iſt, daß eine Erbſe darin Plab hat. Von dem äußeren Ohre iſt nicht die geringſte Spur vorhanden. Der Kopf iſt durch einen kurzen, unabgeſeßten Hals mit dem übrigen Körper verbunden. An der Bruſt ſind die ſeltſamen Vorderfüße und die Brüſte merkwürdig. Die Füße beſtehen aus zwei Gelenken, deren äußeres Ende eine ziemlihe Ähnlichkeit mit dem Pferdefuße hat; ſie ſind unten wie eine Kragzbürſte mit vielen furzen und dit geſeßten Borſten verſehen. Mit ſeinen Vordertaßen, woran weder Finger noh Nägel zu unterſcheiden, ſ{hwimmt das Tier vorwärts, ſchlägt die Seekräuter vom ſteinernen Grunde ab, und wenn es ſi< zur Begattung, auf dem Rücken liegend, fertig macht, umfaßt eins das andere glei als mit den Armen. Unter dieſen Vorderſüßen finden ſih Brüſte mit ſhwarzen, runzeligen, 2 Zoll langen Warzen verſehen, in deren äußerſtes Ende ſih unzählige Milchgänge öffnen. Wenn man die Warzen etwas ſtark ſtreift, ſo geben ſie eine große Menge Milch von ſi, die an Süßigkeit und Fettigkeit die der Landtiere übertrifft, ſonſt aber niht davon verſchieden iſt. Der Rü>en an dieſen Tieren iſt ebenfalls wie bei einem Ochſen beſchaffen, die Seiten ſind länglich rund, der Bauch gerundet und zu allen Zeiten ſo voll geſtopft, daß bei der geringſten Wunde die Gedärme fogleich mit vielem Pfeifen heraustreten. Von der Sham an nimmt das Tiex auf einmal im Umfange ſehr ſtark ab; der Schwanz ſelbſt aber wird nach der Floßfeder zu, die ſtatt der Hinterfüße iſt, noch immer dünner; doch iſt er unmittelbar. vor der Floßfeder im Durchſhnitte noh 2 Schuh