Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Dujong. Stellers Seekuh. 563

an der abeſſiniſhen Küſte niht gegerbt, ſondern nur in der Luft getro>net und dann zu Sandalen verſchnitten. Weil aber die in ihr enthaltene Feuchtigkeit das Zellgewebe loder mat, ſind dieſe Sandalen nur in tro>enen Gegenden brauchbar, erweichen dagegen auf wäſſerigem Boden und ſ{hwellen an. Weit höher als Fleiſch und Haut ſtellte man in früheren Zeiten die Zähne und legte den aus ihnen gefertigten Roſenkränzen wunderbare Kräfte bei.

„Am ganzen Strande der Fnſel, ſonderlih wo Bäche in die See fließen und alle Arten Seekräuter am häufigſten ſind, hält ſich zu allen Jahreszeiten die von unſeren Ruſſen Moxrskfaja-Korowa genannte Meerkuh in großer Menge und herdenweiſe auf. Da uns dur<h die Verſcheuhung der Seebiber von der nördlichen Seite die Verſorgung mit Nahrungsbedarf beſhwerlich zu werden anfing, ſannen wir auf Mittel, uns dieſer Tiere zu bemeiſtern und unſere Nahrung, weil ſie uns nahe waren, auf eine leihtere Art davon zu ziehen. Fh ſtellte deSwegen am 21. Mai den erſten Verſuch an, mit einem verfertigten großen eiſernen Haken, woran ein ſtarkes und langes Seil befeſtigt wurde, dieſes mächtige und große Seetier anzuhauen und ans Land zu \ſ<hleppen, allein vergebens; denn die Haut war zu zähe und der Haken viel zu ſtumpf. Man änderte ihn auf verſchiedene Art und ſtellte mehrere Proben an, die aber noh ſ{<le<ter ausfielen, ſo daß uns die Tiere mit dem Haken und daran befeſtigtem Seile in die See entliefen. Endlich zwang uns die Not, zum Harpunieren Anſtalt zu machen. Man beſſerte zu dem Ende gegen Au3gang des Junius das Jollboot ſo im Herbſte auf den Felſen ſehr beſchädigt worden war, aus, ſeßte einen Harpunier nebſt Steuermann und vier Ruderern darauf und gab jenem eine Harpune nebſt einem ſehr langen, wie beim Walfange in Ordnung gelegtes Seil in die Hand, von welchem das andere Ende am Strande von den übrigen 40 Mann gehalten wurde. Nun ruderte man ganz ſtille auf die Tiere los, welche in größter Sicherheit herdenweiſe an den Ufern ihrer Weide im Seegrunde nachgingen. Sobald dann der Harxrpunier eines derſelben angehauen hatte, zogen die am Lande ſolches allmählich nach dem Strande, die in der Jolle befindlichen fuhren indeſſen auf dasſelbe zu und machten es durch ihre Bewegungen noh matter, und wenn es entkräftet ſchien, ſo ſtießen ſie ihm allenthalben mit großen Meſſern und Bajonetten in den Leib, ſo daß es faſt alles Blut, welches wie Springbrunnen aus den Wunden quoll, verloren hatte, und ſo bei vollem Waſſer auf den Strand gezogen und befeſtigt werden konnte. Sowie dann das Waſſer wieder ablief, und das Tier auf tro>kenem Strande lag, ſchnitt man allenthalben vas Fleiſh und den Sped ſtü>weiſe herunter und trug es in voller Freude nah den Wohnungen, wo das Fleiſch in großen Fäſſern verwahrt, der Spe> aber auf hohe Böe aufgehängt wurde. Und nun ſahen wir uns bald in einen ſolchen Überfluß von Nahrung verſeßt, daß wir den Bau unſeres neuen Fahrzeuges, welches das Mittel zu unſerer Rettung werden jollte, ohne Hinderniſſe fortſezen konnten.“

Mit dieſen Worten beginnt der ſchon oft erwähnte Naturforſcher Steller, welcher im November des Jahres 1741 auf der vorher noh unbekannten Beringinſel geſtrandet war und dort 10 traurige Monate verleben mußte, ſeinen Bericht über eins der merkwürdigſten Seeſäugetiere, ein Geſchöpf, welches bereits gänzlich ausgerottet und vernichtet worden zu ſein ſcheint, die nach ihrem Entdecker benannte Seekuh oder das Borkentier (Halicore stelleri, Rhytina stelleri). Angelo>t dur die gewinnverheißenden Berichte der vuſſi[hen Entde>ungsgeſellſchaft, unter welcher Steller ſich befand, ſtrömten Walfänger und waghalſige Abenteurer in hellen Haufen nach der Beringſee und begannen dort eine ſo fur<htbare Meßelei unter den wehrloſen Meeresbewohnern, daß die Seekühe von der Erde vertilgt wurden. Man hat ſi ſpäter vergeblich bemüht, wenigſtens ein Stü von dieſen Tieren zu erhalten. Jedes Schiff, welches nah dem Beringmeere abſegelte, iſt auf ſie hingewieſen worden, feines hat irgend eine Nachricht zurü>gebraht. Man nimmt an, daß bereits im «Fahre

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