Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Wanderungen. Zugſtraßen. Geſelligkeit DIB

ein Stü> ausging, und ſolches mit genauer Not und niht ohne Verwundungen davon kam, ſo hat es in manchen Fällen während der folgenden Fahre immer wieder dort ſi bli>en laſſen, bis es endli< erlag. So war es mit dem an einem Loche in der Rückenfloſſe kenntlichen Finnwale, welchen die Fiſcher einer Bucht Schottlands 20 Fahre lang beobachteten und unter dem Namen „Holy Pike‘ kannten, bis es ihnen endlich gelang, ihn zu erbeuten. Vielleicht gehört hierher auh der von Bennett erwähnte Fall von einem Pottwale, welcher auf den Walgründen bei Neuſeeland den Walfiſchfängern als „New- Zealand Tom: lange bekannt geweſen war, und zwar ebenſowohl ſeiner Größe und Wildheit wie auch der weißen Färbung ſeines Bu>els halber. Am auffallendſten iſ die Angabe Steenſtrups, welche ih hier wörtlich wiedergeben will. „Die Küſtenbewohner Fslands geben ihren Walfiſchen Namen, und die einzelnen Stü>e ſind ihnen überhaupt als Perſönlichkeiten bekannt. Die Walfiſche wählen immer dieſelbe Bucht, um ihre Kälber abzulegen; die Mutter kommt regelmäßig jedes zweite Fahr. Man nimmt die Jungen, verſchont aber die Alte, deren Leben nur dann bedroht iſt, wenn ſie ſih in eine fremde Bucht verirrt.“

„Was die Straßen anlangt, denen die Waltiere folgen, ſo kommen darin bei aller Regelmäßigkeit im allgemeinen doh manqherlei mehr oder weniger bedeutende Abweichungen vor, wie das ja wohl bei den Zugtieren überhaupt der Fall iſt. Auf ihren Weg ſcheint nicht ſowohl der Strom als vielmehr der Wind einen weſentlichen Einfluß zu haben, indem ſie, wie es wenigſtens viele erfahrene Leute behaupten, immer dem Winde entgegenſ<wimmen ſollen. Gewiß iſt, daß niht nur einzelne Waltiere oft aus ihrer gewohnten Bahn verſhlagen werden, ſondern auh ganze Scharen, wie z. B. die 32 Pottwale, welche im Fahre 1784, und die 70 Grindwale, welche im Jahre 1812 an der franzöſiſchen Küſte verunglü>ten. Ein merkwürdiges Beiſpiel von einer anhaltenden Abweichung von dem gewöhnlichen Wege findet ſi< auch in der Geſchichte des leßtgenannten Tieres, indem das Vorüberziehender großen Scharen desſelben an den Faröer in den Jahren 1754—1776, alſo 22 Fahre lang, faſt gänzlih aufgehört hatte, ſeitdem aber jährlich wieder ſtattfindet und namentli<h in der legten Zeit eher im Zunehmen begriffen iſt, Dieſes Abweichen von der gewohnten Straße, vielleicht auh das beabſichtigte Eindringen in Flußmündungen ſind Urſache, daß Waltiere von Zeit zu Zeit in größerer Anzahl ſtranden und eine Beute der Küſtenbewohnér werden, wie es in früheren Zeiten zuweilen mit dem Grönlandwale, welcher jeßt nur no< im hohen Norden gefunden wird, der Fall wax. :

„Die Waltiere ſind, wie die meiſten Zugtiere überhaupt, geſellige Tiere. Man findet da, wo Futter vorhanden iſt, oft Hunderte und über tauſend niht nur derſelben, ſondern ſelbt vérſhiedener Arten beiſammen, und auch den großen ziehenden Scharen ſollen ſi, na dem Zeugniſſe der Küſtenbewohner, einzelne oder mehrere einer anderen Art anſchließen oder beimiſchen. Da die Liebe der Weibchen zu den Jungen bei den Walen faſt alles übertrifft, was wix ſonſt bei Tieren beobachten, und die Erziehung der Jungen wie deren Schuß faſt allein der Mutter überlaſſen iſt, ſo hat man die großen Scharen vorzugsweiſe aus Weibhen beſtehend gefunden, welche von einzelnen alten Männchen angeführt werden. Das Zuſammenhalten der Waltiere in kleineren oder größeren Trupps beruht alſo zum Teile auf der gemeinſamen Nahrung, zum Teile auf Geſellſchafts- und Familienverhältniſſen, bei manhen Arten aber offenbar noh, wie bei den Zugtieren überhaupt, auf einem Triebe, während der Wanderung ſih einander anzuſchließen.“

Alle Wale ſind im hohen Grade bewegungsfähige Tiere. Sie ſhwimmen mit der größten Meiſterſchaft, ohne irgend ſichtbare Anſtrengung, manche mit unvergleichliher Schnelligkeit, und bethätigen, wenn ſie wollen, eine ſo außerordentliche Kraft ihrer mächtigen Shwanzſloſſe, daß ſie troz der ungeheueren Laſt ihres Leibes über das Waſſer ſih emporzuſchnellen und weite Sprünge auszuführen vermögen. Gewöhnlich halten ſie ſih nahe der Oberfläche