Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

57A Dreizehnte Drdnung: Waltiere.

und vielleicht ſteigen ſie in größere Tiefen des Meeres nur dann hinab, wenn ſie verwundet werden. Die oberſte Schicht des Waſſers iſt ihr eigentliches Gebiet, weil ſie mit dem Kopfe und einem Teile des Rückens emporkommen müſſen, wenn ſie Atem ſchöpfen wollen. Fhr Luftwechſel geſchieht in folgender Weiſe. Der emporgekommene Wal bläſt zuerſt unter ſ{naubendem Geräuſche das Waſſer, welches in die nux unvollkommen verſchloſſenen Naſenlöcher eindrang, mit ſo großer Gewalt empor, daß es ſih in feine Tropfen auflöſt, aber dennoch bis zu 5 und 6 m Höhe emporgeſchleudert wird. Dieſer Atemſtrahl läßt ſi< am beſten mit einer Dampfſäule vergleichen, welche aus einer engen Röhre entweiht; auh das Sc<hnauben erinnert an das dur<h den Dampf unter gegebenen Umſtänden verurſachte Geräuſh. Einen Waſſerſtrahl, wie ihn ein Springbrunnen in die Höhe ſhleudert, wirft kein Wal aus, obgleich die meiſten Zeichner dies darſtellen und no< viele Naturbeſchreiber es angeben. Gleih nah dem Ausſtoßen zieht das Tier unter ebenfalls laut hörbarem, ſtöhnendem Geräuſche mit einem raſchen Atemzuge die ihm nötige Luft ein, und man<hmal we<ſelt es drei-, vier-, au< fünfmal in der Minute den Atem, aber nur das erſte Mal nah dem Auftauchen wird ein Strahl emporgeſchleudert, obwohl man bei einigermaßen kühlem Wetter immer noh den Atemdunſt zu erkennen vermag. Die Naſenlöcher ſind ſo günſtig gelegen, daß der Wal beim Auftauchen immer mit ihnen zuerſt ins Freie kommt, und ſomit wird ihm das Atmen ebenſo bequem wie anderen Tieren. Ein ungeſtört dahinſ<hwimmender Großwal zieht vielleicht 5—15 Minuten lang, gleihmäßig atmend, bald ununterbrochen an der Oberfläche hin, bald ſenkt er ſi< nach jedem Atemzuge ein wenig unter das Waſſer; man<hmal treibt er es aber auch viel länger in dieſer Weiſe, bis er ſeinem Luftbedürſniſſe Genüge gethan hat. Darauf geht er wieder in die Tiefe hinab, wobei der hintere Teil des Leibes ſih hebt (der Wal „rundet“) und oft der Shwanz hoh und frei über Waſſer erſcheint, und bleibt nun vielleiht 10—20 Minuten, man<mal noh länger unſihtbar. Verfolgte Großwale können aber auh 80—50 Minuten unter Waſſer verweilen. Ein harpunierter Pottwal verharrte, nah Pechuel-Loeſ{<es Beobachtungen, faſt 1 Stunde, ein anderer, ebenfalls angeworfener, ſogar volle 80 Minuten unter Waſſer und tauchte dabei an 1300 m tief hinab. Und neuerdings hat Kükenthal feſtgeſtellt, daß ſelbſt ein harpunierter Dôögling, alſo ein verhältnismäßig kleiner Wal, der etwa 300 Faden Leine nahm, volle 45 Minuten lang tauchte. Unter ſolchen Umſtänden hält wahrſcheinlih das in den erwähnten S<hlagaderſäken aufbewahrte, angeſäuerte Blut die Atemnot noh eine Zeitlang hintan; endlih aber macht ſih das Säugetier doh geltend, und der Wal muß wieder zur Oberfläche emporſteigen, um dem unvermeidlichen Erſtikungstode zu entrinnen. Bei unterbrochenem Luftwechſel ſtirbt der Wal ſo ſicher wie jeder andere Säuger an Exrſti>ung, nah den Beobachtungen der Waljäger ſogar in ſehr kurzer Zeit. Ein Wal, welcher ſih in dem Taue verwi>elte, mit dem man einen ſeiner eben getöteten Gefährten behufs der Ausnußung emporgewunden hatte, war nah wenigen Minuten eine Leiche. Ebenſo ſterben die Tiere, obwohl ſie Luft atmen, in verhältnismäßig ſehr kurzer Zeit, wenn ſie auf das Tro>ene geraten.

Mehrfach iſ als Streitfrage aufgeworfen worden, ob die Wale eine Stimme haben oder nicht. Die Frage darf, wie ſih eigentlih von ſelbſt verſteht, von vornherein bejaht werden, da eine Stimmriße vorhanden iſt, und es ſih nict einſehen läßt, aus welchem Grunde dieſe niht ihre Schuldigkeit thun ſollte; es liegen jedo<h auch hinreichend vevrbürgte Beobachtungen über die Stimme vor. Bei großer Gefahr, unter dem Schmerzgefühle ſ{<hwerer Verwundungen, nach Strandungen, überhaupt in Todesnot, ſchreien die Wale zuweilen laut. Nach Verſicherung aller Ohrenzeugen, welche hierüber berichten, laſſen ſich die unter ſolchen Umſtänden ausgeſtoßenen Laute mit denen irgend eines anderen Tieres niht vergleichen. Sie beſtehen in einem Brüllen, welches als ſ{hre>li{h, entſeglih geſchildert wird und dieſe Bezeichnung um ſo mehr verdienen ſoll, je größer der Wal iſt, welcher brüllt.