Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

584 Dreizehnte Ordnung: Waltiere; erſte Familie: Furchenwale.

Geſchöpfe aber zurü>gehalten werden. Ein einziger Dru> der plumpen, kaum beweglichen Zunge treibt hierauf die gallertartige Maſſe dur<h die Mundröhre hinab in den Magen. Die Falle wird von neuem geöffnet, und weiter ſtreicht der Bartenwal dur die Flut. Ein kleiner Fiſh, welcher zufällig in dieſen Naturhamen gelangen ſollte, wird wahrſheinlih auch mit verſchlu>t, nebenbei auh Seetange, welche zufällig in den Rachen gekommen ſind.

Hinſichtlih der höheren Begabungen ſtehen die Bartenwale den früher beſchriebenen Seeſäugern ziemlich gleih. Geſicht, Gehör und Gefühl ſind ihre ausgebildetſten Sinne. Die geiſtigen Fähigkeiten ſcheinen <wächer zu ſein als bei den Zahnwalen. Alle Bartenwale ſind furhtſam, ſcheu und flüchtig und leben daher unter ſi< und wohl au< mit den meiſten anderen Seetieren in Frieden. Wenn ſie ſih angegriffen ſehen, erwacht allerdings zuweilen thr natürlicher Mut, welcher ſelbſt in Wildheit ausarten kann, und ſie verteidigen ſi<h dann mit Heftigkeit, niht allzu ſelten au< wohl mit Erfolg; im allgemeinen aber fügen ſie ihrem furhtbarſten Feinde wenig Schaden zu. Jhre Hauptwaffe iſt der Shwanz, deſſen ungeheuere Kraft man ſi<h vorſtellen kann, wenn man erwägt, daß er das Werkzeug iſt, vermittelſt deſſen der Wal ſeinen maſſigen Leib mit Dampſferſchnelle dur< die Wogen treibt. Ein einziger Slag des Walfiſchſhwanzes genügt, um das ſtärkſte Boot in Trümmer zu ſ<hlagen oder in die Luft zu ſ{<leudern, iſt hinreichend, ſhon ein Thr Î ſtarkes Tier, und ſomit auc den Menſchen, zu töten.

Über die Fortpflanzung der Bartenwale weiß man noc wenig, höchſtens ſo viel, daß die Weibchen oder „Kühe“ ein einziges, ſelten zwei ſehr große, !/3—"/2 der Mutterlänge erreichende, weit in der Entwi>elung vorgeſchrittene Funge zur Welt bringen, welche ſie lange ſäugen, ſehr lieben, mit Mut und Ausdauer verteidigen, bei Gefahr unter einer der Finnen verbergen und ſo lange führen, bis der junge Wal ſelbſtändig geworden iſt. Über die Dauer der Trächtigkeit teilt Guldberg mit, daß ſie 10—12 Monate und darüber betragen mag. Es iſt wahrſcheinlih, daß die Bartenwale verhältnismäßig {nell wa<hſen; denno< gehört eine größere Reihe von Fahren dazu, ehe ſie ihre volle Größe erlangen.

Gray verteilte die Mitglieder der Unterordnung auf zwei Familien, deren erſte, die Furchen- oder Röhrenwale (Balaenopteridae) umfaſſend, ihren Namen von tiefen, neben- und hintereinander liegenden, im ganzen gleihlaufenden Längsfurchen erhielt, welche ſih über die ganze Kehl- Hal3-, Bruſt- und einen Teil der Bauchfläche erſtre>en; ſie ſind verhältnismäßig ſ{<lank gebaut, mit einer deutlichen Rüdenfloſſe verſehen, mit mehr oder minder langen lanzettlihen Bruſtfloſſen ausgerüſtet und haben nux kurze, aber breite Barten. Die Hals3wirbel verwachſen wenigſtens niht regelmäßig; die Felſenbeine ſind eiförmig, das Schulterblatt iſt breiter als hoch.

Sehr lange Bruſtfloſſen, welche mindeſtens ein Fünftel, oft ein Viertel der Geſamtlänge erreichen, kennzeihnen die Langfloſſenwale (Megaptera), welhe der Bu>elwal, Humpba> der Engländer, Rorqhval der Norweger, Keporkak der Grönländer (Megaptera longimana, M. boops, Balaena boops und longimana, Kyphobalaena boops) vertritt. Dieſer allverbreitete, in jedem Weltmeere vorkommende Wal erreicht etwa 15 m Länge, ſeine Bruſtfinne bei etwa Meterbreite eine ſolche von 3—{ m, die Shwanzfloſſe ſpannt etwa 4 m. Ex zählt zu den p lumpeſten Gliedern ſeiner Familie. Verglichen mit anderen Nöhrenwalen, iſt er entſchieden häßlich, ſein Leib kurz und di>, längs des Rückens kaum merkli<, auf der Unterſeite ſhon vom Oe an ſehr bedeutend gewölbt, der vordere Teil des Leibes überall ausgebaucht, der hintere gegen den Shwanz hin außerordentlih verſ<hmächtigt, der Unterkiefer merklich länger und breiter als der obere, ſeine Bruſtfinne faſt unverhältnismäßig lang und ſeine Shwanzfinne außerordentlich entwi>elt.