Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Grind: Küſtenfang. Eintreiben. Abſtechen. 617

unglü>lihen S@&lachtopfer, immer langſamer zogen ſie in den Hafen hinein, die Gefahr ahnend; jeßt, als ſie in den Weſtervaag gekommen waren, welcher ungefähr nur 250 Schritt breit und doppelt ſo lang iſt, wollten ſie ſih niht länger wie eine Herde Schafe treiben lafſen und machten Miene, umzukehren. Nun nahte der entſcheidende Augenbli>. Unruhe, Beſorgnis, Hoffnung, Mordluſt zeigte ſih in den Geſichtern aller Färinger. Sie erhoben ein wildes Geſchrei; alle Boote ſtürzten auf den Haufen zu und ſtachen mit ihren breiten Harpunen diejenigen Wale, welche dem Boote nicht ſo nahe waren, daß der Schlag ihres Shwanzes dieſes hätte zerſ<hmettern können. Die verwundeten Tiere ſtürzten mit fürchterlicher Schnelligkeit vorwärts der ganze Haufe folgte und rannte auf den Strand.

„Nun begann ein fürchterlihes Schauſpiel. Alle Boote eilten den Walen nah, fuhren blindlings unter ſie und ſtachen tapfer darauf los. Die Leute, welche am Lande ſtanden, gingen bis unter die Arme in das Waſſer zu den verwundeten Tieren, ſhlugen ihnen eiſerne Haften, an welche ein Stri> gebunden war, in den Leib oder in die Blaſelöher, und nun zogen 3—4 Mann den Wal vollends auf das Land und ſchnitten ihm die Gurgel bis auf den Nüctenwirbel dur<h. Jm Todeskampfe peitſchte das ſterbende Tier die See mit ſeinem Schwanze, daß das Waſſer weit umherſtob; die fryſtallhelle Flut des Hafens wax blutrot gefärbt, und Blutſtrahlen wurden aus den Blaslöchern in die Luft geſpritzt. Die Blutarbeit entflammte die Färinger bis zur Wut und Tollkühnheit. An 30 Boote, 5300 Menſchen, 80 getötete und noh lebende Wale befanden ſih auf einem Raume von wenigen Geviertruten. Geſchrei und Toben überall. Kleider, Geſichter und Hände vom Blute gefärbt, glichen die ſonſt ſo gutmütigen Färinger den Kannibalen der Südſee; kein Zug des Mitleids äußerte ſi bei dem gräßlichen Gemegel. Als aber ein Mann dur den Schlag des Schwanzes eines ſterbenden Wales niedergeſtre>t und ein Boot in Stücke zerſhlagen wax, wurde der lebte Teil dieſes Trauerſpiels mit mehr Vorſicht zu Ende geſpielt. 80 getötete Wale bede>ten den Strand; nicht ein einziger war entkommen. Sobald das Waſſer erſt mit Blut gefärbt und dur das Stlagen mit dem Schwanze der ſterbenden Wale getrübt iſt, erblinden die noch lebenden und taumeln im Kreiſe umher. Entrinnt auch einer zufällig in das klare Waſſer, ſo kehrt er doh ſogleih in das blutige zu ſeinen Gefährten zurück.

„ZUM großen Erſtaunen der Färinger ging der Fang leiht und glü>lih von ſtatten, obglei< der Paſtor Gad und mehrere ſhwangere Frauen zuſahen. Man glaubt hier nämli feſt daran, daß die Wale ſogleih umkehren, wenn ſie einen Prediger vor ſih haben; iſt ein ſolcher in der Nähe, ſo bittet man ihn, daß er hinter den Booten bleibe. Schwangere Frauen ſoll der Grind nun gar nit leiden können; deshalb kamen mehrere Färinger zum Amtmanne und baten ihn, dieſen zu befehlen, ſi< zu entfernen, was aber niht geſchah. Zrob Prediger und Frauen wurden alle Grinde in der Hige erlegt. Sonſt läßt man gern einen entwiſchen, damit dieſer mehrere herbeihole.

„Nach einer Stunde Ruhe wurden die Körper nebeneinander gelegt, geſhäßt und ihre Größe mit römiſchen Zahlen in die Haut eingeſchnitten. Die Verteilung geſchieht nah der Größe des Landbeſizes, noh ebenſo, wie ſie ſeit undenklichen Zeiten vorgenommen wurde. Nachdem nämli<h der Beauſtragte jeden Wal gemeſſen und geſhäßt hat, wird von dem Haufen abgezogen: der Zehnte, der Findlingswal, der Madwal, der Schadenwal, der Wachtjold, die Verteilungsgebühren und der Anteil der Armen. Der Zehnte zerfällt in drei Teile, von denen die Kirche einen, der Prediger einen und der König oder deſſen Vertreter, der Syſſelmann, einen empfängt. Der Findlingswal gebührt demjenigen Boote, welches den Grind entde>t hat und kann nach Belieben gewählt werden; der Bootsmann, welcher den Grind zuerſt geſehen hat, bekommt den Kopf. Der Mad- oder Speiſewal iſt ein kleiner Grind, welcher von den Anweſenden ſofort verzehrt wird. Aus dem Gewinne, welchen der Schadenwal abwirft, werden die beſchädigten Boote, Ruder und Geräte vergütet. Der