Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

Jnia. Schnabeldelphin. 625

Die Juia wird von den Eingeborenen nicht verfolgt. Jhr Fleiſch ſoll hart, ihr Spe> gering, ihre Haut höchſtens zur Verfertigung von Schilden geeignet, der Fang alſo wenig lohnend ſein. Auf die Geringfügigkeit des Nußens, welchen ſie gewährt, begründet ſich die ihr zu teil werdende Schonung aber nicht, vielmehr auf abſonderlihe Anſchauungen über ihr Weſen und Sein. Gebeimnisvolle Erzählungen gehen, wie Bates noch mitteilt, über ſie unter den Eingeborenen von Munde zu Munde. Jn den Augen der Bewohner Egas iſt ſie nihts anderes als eine verſühreriſhe Nixe, befähigt, in Geſtalt eines wunderſchönen, mit lang herabwallenden Haaren beſonders geſhmüd>ten Weibes aufzutreten, um junge, unerfahrene Männer vom Pfade der Tugend abzulenken und ins Verderben zu lo>en. So zieht ſie nahts durch die Straßen von Ega, und mehr als einer ließ ſi feſſeln von ihren hohen Reizen. Hoffnungsvoll folgte er der Sirene bis zum Ufer des Stromes, und liebestrunken ſank er dort in ihre Arme; mit gellendem, ſiegjubelndem Schreie aber ſtürzte ſie ih mit dem umſtri>ten Buhlen in die lebenvernichtenden Fluten. Niemand tötet einen Flußdelphin abſihtlih, nicmand verwendet den zur Füllung der Lampen vorzüglich geeigneten Thran eines ſolchen, weil eine mit Bontofett genährte Lampe, anſtatt zu leuchten, Blindheit verurſacht, mindeſtens ſonſtwie gefährdet. Mehrere Jahre bemühte ſih Bates vergeblich, einen Fndianer zu überreden, Bontos für ihn zu fangen, und als er endlich, die Kaſſenebbe eines armen Schelmes benugzend, einen Fiſcher fand, welcher ſi zu ſolher Jagd überreden ließ, geſchah dies nur auf Koſten der Seelenruhe des abergläubiſchen Mannes, welcher ſpäter reuevoll erklärte, ſeit der Zeit des verhängnisvollen Totſchlags vom Glü>e verlaſſen worDen zu ſein. '

Unter dem Namen Plataniſta erwähnt Plinius eines Delphins, welcher im Ganges lebt und nag ſeiner Beſchreibung 7 m lang werden ſoll. Das Tier iſt wirkli vorhanden, aber viel kleiner, als der alte berühmte Forſcher angibt, nämlich etwa 2 m lang. Der ſehr ſchlanke Leibesbau und die halbmondförmige und geteilte Schwanzfloſſe, die aufwärts gebogene und lange, dünne, ſ{<nabelartige, nah vorn kaum verſchmälerte Schnauze, deren Oberkiefer einen vorn vorragenden, die ſhmalen, langen, nebeneinander ſtehenden Atemlöcher umgebenden Kamm bildet, unterſcheiden dieſen Wal, den Schnabeldelphin des Ganges (Platanista gangetica, Susa gangeticus), in Jndien Sunfſe, Suſu, Bulhan, Hihu 2c., im Sanêkrit Siſumar genannt, Vertreter einer gleihnamigen Gattung (Platanista), hinlängli<h von ſeinen Verwandten. Jn den Kiefern ſtehen 380—32 ſtarke, kegelförmig geſtaltete, ſpibige, etwas nah rü>wärts gekrümmte Zähne, unter denen die vorderſten die längſten und ſ<hlankeſten ſind. Die Fettfloſſe auf dem Nücken iſ nur dur< eine erhabene Fetthaut angedeutet, die Färbung der Haut oberſeits graulihſ{<warz, unterſeits graulihweiß. Ferdon ſagt, daß nicht ſelten perlgrau gefle>te Tiere vorkommen, und Anderſon hat gefunden, daß die Männchen kleiner, aber gedrungener gebaut ſind als die Weibchen, auch einen kürzeren Schnabel beſigen.

Der merkwürdige Delphin, der übrigens nach neueren Unterſuchungen keineswegs der einzige in den Strömen Südoſtaſiens lebende Vertreter der Ordnung iſt, fommt nicht bloß im Ganges und ſeinen verſchiedenen Seitengewäſſern vor, ſondern iſt bereits au< im Brahmaputra und im Fndus nachgewieſen worden. Jm Unterlaufe des Ganges wird er vornehmlih während der kühlen Fahreszeit bemerkt; man nahm an, daß er während der heißen und regneriſchen Monate ſtromauf wandere, Cantor glaubte ſogar, daß er in das Meer ziehe, was ſich indeſſen nicht beſtätigt hat. Sterndale meint, ex bleibe allenthalben im Süßwaſſer und werde nur in den vom Regen geſchwellten trüben Fluten ſchwieriger geſehen. Anderſon, welcher einen gefangenen Schnabeldelphin volle 10 Tage am Leben erhielt,

jagt, daß er zum Atmen eine außerordentlih kurze Zeit brauche, daß der Luftwechſel in Brehm, Tierleben. 3. Auflage. II. 40