Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/3

624 Dreizehnte Drdnung: Waltiere; dritte Familie: Delphine.

ſeinen Nebenflüſſen wie im Orinoko iſt er allenthalben eine bekannte Erſcheinung. Jn ſeinen Bewegungen ſoll er ſih von den Seedelphinen unterſcheiden, langſamer und weniger lebhaft ſein, ruhiger ſhwimmen, oft an die Oberfläche kommen, um zu atmen, und gewöhnlich nur zu kleinen Geſellſchaften ſi< vereinigen; doch beſtätigt Humboldt erſtere Angaben nicht, ſah auch ihrer viele beiſammen. „Die Luft“, ſagt er, „wurde wieder ſtill, und alsbald fingen große Wale aus der Familie der Sprißfiſche, ganz ähnli den Delphinen unſerer Meere, an, in langen Reihen ſi< an der Oberfläche zu tummeln. Die Krokodile, langſam und träge, ſchienen die Nähe dieſer lärmenden, in ihren Bewegungen ungeſtümen Tiere zu ſheuen; wir ſahen ſie untertauchen, wenn die Spribfiſche ihnen nahe kamen. Daß Wale ſo weit von den Küſten vorkommen, iſt ſehr auffallend; man trifft ſie zu allen Jahreszeiten an, und keine Spur ſcheint anzudeuten, daß ſie zu beſtimmten Zeiten wandern wie die Lachſe.“ Schomburgk beobachtete Flußdelphine, welche er als Jnias anſehen zu dürfen glaubte, in Guayana. Sie erſchienen beſonders häufig während und kurz nach der Regenzeit, wenn die vermehrte Waſſermaſſe die Stromſchnellen noh bede>t. „Nicht ſelten erſchienen ihrer 6—8, paarweiſe ſih zuſammenhaltend, zu gleicher Zeit, entweder pfeilſhnell nahe der Oberfläche umherſhwimmend, oder in ewigem Wechſel auf- und niedertauhend, wobei ſie niht allein ihre ſpißige Schnauze, ſondern meiſt auh einen großen Teil ihres Leibes über das Waſſer erhoben. Sowie der Kopf über der Oberfläche ſichtbar ward, trieben ſie unter lautem Geräuſche, welches viele Ähnlichkeit mit dem Schnauben der Pferde hatte, das beim Schlu>en in die Schnauze getretene Waſſer als feinen Regen aus den Spritlöchern, was dem ſtillen Landſchaftsbilde einen ungemeinen Reiz verlieh.“

Durch Bates erfahren wir, daß der Amazonenſtrom von mindeſtens drei verſchiedenartigen Delphinen bewohnt wird, und daß dieſe Wale überall zahlrei, hier und da aber in überraſchender Menge auftreten. „An den breiteren Stellen des Strombettes“/, ſagt der trefflihe Beobachter, „von ſeiner Mündung an bis zu 1500 engliſhen Meilen aufwärts, hört man beſtändig, namentlih aber bei Nacht, eine oder die andere Art rollen, blaſen und ſchnarchen, und gerade dieſe Laute tragen nicht wenig dazu bei, im Buſen des Reiſenden das Gefühl der Meeresweite und Meeresöde hervorzurufen. Die Art und Weiſe des Aufund Niederſteigens unterſcheidet den Bonto ſofort von dem mit ihm den unteren Lauf des Stromes teilenden Tucuxi (Steno tucuxi). Während leßterer beim Emporkommen in wagerechter Lage ſih erhebt, ſo daß ſeine Rü>kenfinne zuerſt ſihtbar wird, atmet und dann, den Kopf voran, gefällig oder ſanft in die Tiefe zurü>ſinkt, zeigt erſterer beim Aufſteigen zunächſt ſeinen Kopf, atmet und taucht unmittelbar darauf wieder den Kopf unter, worauf nah und nach die ganze Außenlinie des gebogenen Rückens und ſeine Finne zum Vorſchein fommt. Abgeſehen von dieſer ihm eigentümlihen Bewegungsart, weicht er auh darin vom Tucuxi ab, daß er ſich immer paarweiſe hält.“ Nach dieſer Schilderung dürfen wir alſo den Bonto mit dem Tümmler unſerer Meere vergleichen. Anderweitigen Berichten entnehme ih, daß die Jnia ſich faſt ſtets nahe der Oberfläche des Waſſers aufhält und niht ſelten die lange, ſhnabelartige Schnauze hervorſtre>t und die erhaſchte Beute über dem Waſſer verſchlingt. Die Nahrung beſteht hauptſächhlih aus kleinen Fiſchen; nebenbei ſollen ſie aber auh allerlei Baumfrüchte, welhe von den Zweigen in die Flüſſe fallen, niht verſhmähen. Am liebſten halten ſih die Jnias in den klaren und tiefen Buchten ihrer Wohngewäſſer oder aber da auf, wo Flüſſe in die Ströme münden, offenbar nur deshalb, weil ſolche Stellen die meiſten Fiſche beherbergen.

Über die Zeit der Paarung und die Dauer der Tragzeit weiß man nihts. Das Weibhen, welhes D'Orbigny unterſuchte, warf während der leßten 6 Stunden ſeines Lebens ein Junges von kaum mehr als 1 Fuß Länge. Außerdem erfuhr man noch, daß die Mutter ‘ihr Kind mit derſelben Zärtlichkeit behandelt wie andere Delphine.