Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

448 Erſte Ordnung: Baumvögel; ſiebzehnte Familie: Raben.

Pflege des Findlings mit derſelben Liebe, die ſie ihren eignen Kindern erweiſt. Werden dieſe geraubt oder auh nur bedroht, ſo erheben die Alten ein Zetergeſchrei und vergeſſen nicht ſelten die ihnen eigne Vorſicht. Um ein getötetes Junges verſammeln ſi alle Elſtern der Umgegend, die durch das Klagegekrächze der Eltern herbeigezogen werden fönnen.

Fung aus dem Neſte genommene Elſtern werden außerordentlich zahm, laſſen ſich mit Fleiſh, Brot, Quark, friſchem Käſe leicht auffüttern, zum Aus- und Einfliegen gewöhnen, zu Kunſtſtükchen abrichten, lernen Lieder pfeifen und einzelne Worte ſprehen und bereiten dann viel Freude, durch ihre Sucht, glänzende Dinge zu verſte>en, aber au< wieder Unannehmlichkeiten. Der Menſch, der dem Kleingeflügel ſeinen Schuß angedeihen läßt, wird früher oder ſpäter zum entſchiedenen Feinde der Elſter und vertreibt ſie erbarmungslos aus dem von ihm überwachten Gehege. Auch der Aberglaube führt den Herrn der Erde gegen ſie ins Feld. Eine im März erlegte und an der Stallthür aufgehangene Elſier hält, nah Anſicht abergläubiſcher Leute, Fliegen und Krankheiten vom Viehe ab; eine in den zwölf Nächten geſchoſſene, verbrannte und zu Pulver geſtoßene Schalaſter aber iſt ein unfehlbares Mittel gegen die fallende Sucht. Liebe, deſſen trefflihem Berichte über die Brutvögel Thüringens ih vorſtehende Angaben entnehme, meint, daß der leßterwähnte Aberglaube weſentlich dazu beigetragen habe, die früher in Thüringen häufigen Elſtern zu vermindern: jo viele von ihnen wurden erlegt, verbrannt und zerſtoßen, um das fallſuchtheilende „Diakoniſſinnenpulver“ zu erzielen. Jhre Liſt und Verſchlagenheit macht übrigens ſelbſt dem geübteſten Säger zu ſchaffen und fordert Verſtand und Tücke des Menſchen heraus. Außer dem Menſchen ſtellen wohl nur die ſtärkeren Raubvögel dem pfiffigen und mutigen Vogel nah. Am ſ{limmſten treibt es der Hühnerhabicht, gegen deſſen Angriffe nur dichtes Gebüſch rettet. Eine von ihm ergriffene Elſter ſhreit nah Naumanns Beobachtungen kläglich und ſucht ſih mit grimmigen Biſſen zu verteidigen: was aber der Habicht gepa>t hat, muß ſterben.

Mittel- und ſüdamerikaniſche Raben ſind die Blauraben (Cyanocorax), mit etwa fopflangem oder etwas kürzerem, ſtarkem, geradem, in der Vorderhälfte etwas zuſammen=gedrü>tem, auf dem kantigen Firſte ſanft gewölbtem, an der Wurzel in Borſten gehülltem Schnabel, ziemlih ſtarken, hohläufigen Füßen, kurzen Flügeln, unter deren Shwingen Die fünſte und ſechſte die Spige bilden, und ziemlih langem, ſanft gerundetem Schwanze.

Der Kappenblaurabe (Cyanocorax chrysops und pileatus, Pica chrysops und pileata, Corvus und Cyanurns pileatus, Urolenuca pileata), eine der verbreitetſten Arten der Gattung, erreicht eine Länge von 355—387 und eine Breite von 45 em; ſein Fittich mißt 15, ſein Shwanz 17 em. Stirn, Zügel und Oberkopf, Halsſeiten, Kehle und Vorderhals bis zur Bruſt herab ſind kohlſ<hwarz, Na>ken, Rüen, Flügel: und Schwanzfedern, ſoweit leßtere niht von den Schwingen bede>t werden, ultramarinblau, an der Wurzel \{<hwarz, die Unterteile von der Bruſt an bis zum Steiße, die Unterflügelde>federn und die Schwanzſpibe gelblichweiß; über und unter dem Auge ſteht ein breiter, halbmondförmiger Flec>en von himmelblauer Färbung, an der Wurzel des Unterſchnabels ein ähnlicher; erſterer iſt oben ſilbern geſäumt. Das Auge iſt gelb, der Schnabel wie der Fuß ſ{<hwar3.

Das Verbreitungsgebiet umfaßt das ganze wärmere Südamerika und erſtre>t ſi<h nah Süden hin bis Paraguay. Hier hat unſer Vogel an Hudſon einen trefflihen Beſchreiber gefunden. Der Blaurabe, der von den Spaniern Uvacca oder Elſter genannt wird, befundet dur die kurzen Fittiche, den langen Shwanz und das knappe Gefieder ſowie end-

lih dur die zum Klettern wohl eingerichteten Beine, daß er kein Vogel der Pampas iſt,