Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Elſter: Verbreitung. Weſen. Stimme. Fortpflanzung. AAT

geht ſchrittweiſe, ungefähr wie ein Rabe, trägt ſih aber anders; denn ſie erhebt den langen Schwanz und bewegt ihn wippend, wie Droſſel oder Rotkehlchen thun. Fhr ſ{hwerfälliger, durchaus von dem der eigentlichen Raben verſchiedener Flug erfordert häufige Flügelſchläge und wird ſhon bei einigermaßen ſtarkem Winde unſicher und langſam. Der Rabe fliegt zu ſeinem Vergnügen ſtundenlang umher; die Elſter gebraucht ihre Shwingen nux, wenn ſie muß. Sie bewegt ſi<h von einem Baume zum anderen oder von dem erſten Gebüſche zu dem nächſten unnüßerweiſe niemals. Fhre Sinne ſcheinen ebenſo ſcharf zu ſein wie die der Naben, und an Verſtand ſteht ſie hinter dieſen durchaus nicht zurü>. Sie unterſcheidet genau zwiſchen gefährlichen und ungefährlichen Menſchen oder Tieren: den erſteren gegenüber iſt ſie ſtets auf ihrer Hut, den leßteren gegenüber dreiſt und unter Umſtänden grauſam. Geſellig wie alle Glieder ihrer Familie, miſcht ſie ſich gern unter Raben und Krähen, ſhweift au< wohl mit Nußhähern umher, vereinigt ſih aber doh am liebſten mit anderen ihrer Art zu kleineren oder größeren Flügen, die gemeinſchaftlih jagen, überhaupt an Freud und Leid gegenſeitig den innigſten Anteil nehmen. Gewöhnlich ſieht man ſie familienweiſe. Fhre Stimme iſt ein rauhes „Schak“ oder „Krak“/ das auch oft verbunden wird und dann wie „Schakerak“ klingt. Dieſe Laute ſind Lo>kton und Warnungsruf und werden je nah der Bedeutung verſchieden betont. Fm Frühlinge vor und während der Paarungszeit ſ<hwaßt ſie mit ſtaunenswertem Aufwande von ähnlichen und doch verſchiedenen Lauten ſtundenlang, und das Sprichwort iſt deshalb wohl begründet.

Kerbtiere und Gewürm, Schneen, kleine Wirbeltiere aller Art Obſt, Beeren, Feldfrüchte und Körner bilden die Nahrung der Elſter. Jm Frühjahre wird ſie ſehr ſchädli<, weil ſie die Neſter aller ihr gegenüber wehrloſen Vögel unbarmherzig ausplündert und einen reihbewohnten Garten buchſtäblih verheert und verödet. Auch den Hühner- und Entenzüchtern, den Faſanerien und dem Federwilde wird ſie läſtig, fängt ſogar alte Vögel, und dieſe, wie Naumann ſagt, oft ganz unvermutet, weil ſie beſtändig mit ihnen in Geſellſchaft iſt, jene ſih vor ihr niht fürchten und ſo in ihrer Sicherheit von ihr übertölpeln laſſen. Ebenſo betreibt ſie freili<h au< Mäuſejagd und fängt und verzehrt viele ſchädliche Kerbtiere, Schne>en und ſonſtiges unnüßes Gewürm, tritt aber überall als ein ſo räuberiſcher Vogel auf, daß ſie unzweifelhaft unter nüßlichen Tieren ſ{<hlimmer hauſt als unter ſchädlichen, daher zu den legteren gezählt werden muß.

Die Norweger behaupten, daß die Elſter am Weihnachtstage das erſte Reis zu ihrem Horſte trage; in Deutſchland geſchieht dies gewöhnlih nicht vor Ende Februar. Das Neſt wird bei uns auf den Wipfeln hoher Bäume und nur da, wo ſih der Vogel ganz ſicher weiß, in niedrigen Büſchen angelegt. Dürre Reiſer und Dornen bilden den Unterbau; hierauf folgt eine di>e Lage von Lehm und nun erſt die eigentlihe Neſtmulde, die aus feinen Wurzeln und Tierhaaren beſteht und ſehr ſorgſam hergerichtet iſt. Das ganze Neſt wird oben, bis auf einen ſeitli<h angelegten Zugang, mit einer Haube von Dornen und tro>enen Reiſern verſehen, die zwar durchſichtig iſt, den brütenden Vogel aber doch vollſtändig gegen etwaige Angriffe der Raubvögel ſichert. Das Gelege beſteht aus 7—8, durhſchnittli<h 33 mm langen, 23 mm di>en/ auf grünem Grunde braun geſprenkelten Eiern. Nach einer Brutzeit von 3 Wochen entſhlüpfen die Jungen und werden nun von beiden Eltern mit Kerbtieren, Regenwürmern, Schne>en und kleinen Wirbeltieren groß gefüttert. Vater und Mutter lieben die Kinderſchar ungemein und verlaſſen ſie nie. Wir haben erfahren, daß eine Elſter, auf welche wir geſchoſſen hatten mit dem Schrotkorn im Leibe noch fortbrütete. Wenige Vögel nähern ſih mit größerer Vorſicht ihren Neſtern als die Elſtern, die alle möglichen Liſten gebrauchen, um jene nicht zu verraten. Jn Spanien muß die Elſter oft in derſelben Weiſe Pflegemutterdienſte verrichten wie die Nebelkrähe in Ägypten: der Häherku>ku> vertraut ihr dort ſeine Eier an, und ſie unterzieht ſih der