Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

446 Erſte Drdnung: Baumvögel; ſiebzehnte Familie: Raben.

Jn Deutſchland iſ verſchiedentlich der Glaube verbreitet, daß die Dohlen beim Herannahen der Cholera diejenigen Städte verlaſſen, in welche die gefürchtete Seuche demnächſt einziehen werde. Es iſt ſchon rihtig, daß die Dohlen zeitweilig ſcheinbar auswandern, aber ſie weichen niht vor der Cholera, ſondern ziehen zur Zeit der Fruchtreife einfa in die Gefilde. | |

Langſchwänzige Raben ſind die Elſtern (Pica), deren Merkmale in dem im ganzen wie bei den Krähen gebildeten, auf dem Firſte jedoch ſtärker gebogenen Schnabel, den hochläufigen Füßen, kurzen, gerundeten Flügeln, unter deren Schwingen die fünſte die Spiße bildet, mehr als körperlangem, ſtark geſteigertem Schwanze und reichem Gefieder gefunden werden.

Die Elſter, Alſter, Schalaſter, Acholaſter, Algarde, Heſte, Heiſter, Argerſi, Gartenrabe 2c. (Pica rustica, caudata, vulgaris, melanoleuca, albiyentris, europaea, germanica, septentrionalis, hiemalis, megaloptera, media, varia, sericea, Dbofttanensis, butanensis, tibetana, japonica, chinensis und bactriana, Coryus pica und rusticus, Garrulus picus, Cleptes pica und hudsonicus), erreiht eine Länge von 4548 und eine Breite von 55—58 cm, wobei 26 cm auf den Shwanz und 18 cm auf den Fittih zu rechnen ſind. Kopf, Hals, Rücken, Kehle, Gurgel und Oberbruſt ſind glänzend dunkelſhwarz, auf Kopf und Rücken ins Grünliche ſcheinend, die Schultern, ein mehr oder minder vollſtändiges, oft nur angedeutetes Querband über den Rüden ſowie die Unterteile weiß, die Schwingen blau, außen wie die Handſhwingende>en grün, innen größtenteils weiß und nur an der Spitze dunkel, die Steuerfedern dunkelgrün, an der Spibe ſ{<hwarz, überall metalliſ<, zumal fupferig ſchillernd. Das Auge iſt braun, der Shnabel wie der Fuß ſhwaxz. Bei den Jungen iſt die Färbung gleich, jedo<h matt und glanzlos. Mehrere Abarten, zum Teil auch ſtändig vorkommende, ſind als beſondere Arten aufgeſtellt worden, mit Sicherheit jedo<h niht zu unterſcheiden.

Das Verbreitungsgebiet der Elſter umfaßt Europa und Aſien vom nördlichen Waldgürtel an bis Perſien und Kaſchmir; in Tuxrkmenien brütet ſie, laut Alfred Walter, auh in den Ebenen, in Kaſchmix, laut Dates, in Höhen, die über 1500 m und bis 2500 m liegen, iſt au< um Kelat in Belutſchiſtan heimiſch, wird aber, ſoviel bis jeßt bekannt iſt, im Hi malaja nicht öſtlih von Kaſchmir gefunden. Jm oberen Barma iſt ſie zur Winterzeit in der Umgegend von Bhamo beobachtet worden. Jn den meiſten Ländern und Gegenden tritt ſie häufig auf, in anderen fehlt ſie faſt gänzlih. So ſieht man ſie in vielen Provinzen Spaniens gar nicht, wogegen ſie in anderen gemein iſt; auh hohe Gebirge, baumfreie Ebenen und ausgedehnte Waldungen meidet ſie größtenteils. Feldgehölze, Waldränder und Baumgärten ſind ihre eigentlihen Wohnſiße. Sie ſiedelt ſih gern in der Nähe des Menſchen an und wird da, wo ſie Schonung erfährt, ungemein zutraulih oder richtiger aufdringlih. Jn Skandinavien, wo man ſie gewiſſermaßen als heiligen Vogel des Landes anſieht, nimmt ſie niht in den Gärten, ſondern in den Gehöften ſelbſt ihre Wohnung und baut auf beſonders für ſie hergerihteten Vorſprüngen unter den Dächern ihr Neſt. Sie iſt, wo ſie vorkommt, Standvogel im vollſten Sinne des Wortes. Jhr eigentlihes Wohngebiet iſt flein, und ſie verläßt es niemals. Wird ſie in der Gemarkung eines Dorfes ausgerottet ſo währt es lange Jahre, bevor ſie allgemah von den Grenzen her wieder einrü>t. Nux im Winter ſtreift ſie, obgleich immer noch in ſehr beſchränktem Grade, weiter umher als ſonſt.

Jn Lebensweiſe und Betragen erinnert die Elſter zwar vielfach an die Krähen, unterſcheidet ſich aber doh in mehrfacher Hinſicht nicht unweſentlich von den Verwandten. Sie