Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

Spechte: Allgemeines. 577

Auch Altum ſtellt ſi<, wenngleih niht auf die Seite der Gegner unſerer Vögel, ſo doh auf einen anderen Standpunkt als die Mehrheit der Vogelkundigen, indem er den Spechten hauptſächlich dreierlei vorwirft. Sie ſchaden den Waldungen ſeiner Meinung nach dur Vertilgen der nüßlihen Ameiſen und Aufzehren der Waldſämereien, dur<h das Bemeißeln der Bäume, das die Anſiedelung zerſtörender Pilze zur Folge haben ſoll, und manche endlih dur eine abſonderliche, noh nicht erklärte Eigenheit, indem ſie einzelne ſhwachhe Bäume „ringeln“/ d. h. in deren Rinde dicht nebeneinander zahlreiche runde Löcher in wagerehten Reihen einbohren. F< kann die Aufzählung ihrer Übelthaten noh vermehren. Sie ſchaden hier und da, indem ſie, wenigſtens einzelne Arten von ihnen, das morſche Holz in Gebäuden zermeißeln oder aus Kleibwerk hergeſtellte Fahwände zerſtören, und ebenſo, indem ſie im Winter Bienenſtö>ke beſuchen, deren Wandungen durhlöchern und unter den ſ{lummernden Fmmen bedenkli<h aufräumen. Allein alle dieſe Anklagen erweiſen ſih als bedeutungslos gegenüber dem außerordentlihen Nußen, den ſie unſeren Waldungen und Nuzßholzpflanzungen überhaupt bringen. Wahr iſt es, daß einzelne Spechte, hauptſächli<h der Shwarz- und die Grünſpechte, ſih gern, zeitweilig faſt aus\{<ließli< von Ameiſen in allen Lebenszuſtänden ernähren, ebenſo wahr, daß andere, insbeſondere unſer Buntſpecht und vielleicht auch einige ſeiner europäiſchen Verwandten, während der Reifezeit unſerer Waldſämereien vorwiegend ſolche, auh wohl Haſelnüſſe verzehren; allein die Ameiſenarten ſind in unſeren gepflegten und beaufſihtigten Forſten noh ſo häufig, und unſere Waldbäume tragen in Samenjahren ſo reihli<h, daß auf den in dieſer Beziehung verurſach-: ten Schaden in der That kein Gewicht gelegt werden darf. Jh bin weit entfernt, den Nugzen der Ameiſen unterſhäßen zu wollen, glaube jedo<h daran erinnern zu müſſen, daß die nüßliſten von ihnen, unſere großen Waldameiſen, ſi gleihzeitig mit den Spechten und trobß ihrer in allen Waldungen vermehren, welche ihnen die entſprehenden Lebensbedürfniſſe gewähren, eine Behinderung dieſer Vermehrung durch die Spechte bis jeßt auh no< nirgends nachgewieſen worden iſt. Jh geſtehe ferner zu, daß in dürftigen Kiefernbeſtänden der Bunt: ſpecht dur ſeine Liebhaberei für die Samen den Ertrag des Zapfenſammelns ſ{<hmälern fann, behaupte aber, daß überall da, wo die Kiefer zu wirklih gedeihliher Entwickelung gelangt, ſämtliche Buntſpechte einer meilenweiten Umgebung nicht im ſtande ſind, die, um mich ſo auszudrüd>en, unbeſchränkte Ertragsfähigkeit dieſes Baumes weſentlich zu beeinträchz tigen. Viel ſchädlicher wirken, wie E. von Homeyer mit Necht hervorhebt, die Eichhörnchen, die ihrer anmutigen Beweglichkeit verdanken, daß man ihre Nichtsnuzigkeit und ver: derbliche Thätigkeit nah jener Richtung hin nur zu gern überſieht.

Noch weniger dürfte der Schade ins Gewicht fallen, den die Spechte dur< Bemeißeln der Bäume den Waldungen zufügen. Alle Forſtleute und Vogelkundigen, welche Spechtlöcher unterſuchten, ſtimmen darin miteinander überein, daß die Spechte behufs Ausarbeitung eines S<hlaf- oder Brutraumes nur ſolche Bäume in Angriff nehmen, deren Kern morſch iſt, ſo geſund auh der Baum von außen erſcheinen mag. Vielleiht mag es vorkommen, daß da, wo paſſende Bäume ſelten ſind, auch geſunde, weihholzige Stämme, insbeſondere Eſpen, Pappeln oder Weiden, angemeißelt werden; überall da aber, wo ſol<he Bäume in größerer Menge auftreten, wie hier und da in Rußland oder Sibirien zum Beiſpiel, gilt auch für ſie das Geſagte. Der Specht macht, wie E. von Homeyer ſagt, die Bäume nicht faul, ſondern zeigt nur die faulen Bäume an.

Über das NRingeln habe ih eigne Beobachtungen niht angeſtellt und muß daher E. von Homeyer für mich reden laſſen. „Wenn man die verſchiedenen Reviere nach den Ningelbäumen durchſucht, ſo mag es niht ſchwer ſein, eine gewiſſe Anzahl davon aufzufinden. Es mag auch lehrreih für alle ſein, welche ſih für Forſtwiſſenſchaft intereſſieren, eine Sammlung von Abſchnitten ſolcher Bäume anzulegen; aber man darf darum niht

Brehm, Tierleben. 3. Auflage, IVY. ST