Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/1

624 Erſte Ordnung: Baumvögel; achtundzwanzigſte Familie: Spechte.

Abenddämmerung in Arbeit. Reifen die Nüſſe, ſo beſucht ex die Haſelbüſche, bricht eine Nuß ab, klemmt ſie wie der Buntſpecht in einen bequemen, dazu eingerichteten Spalt oder in eine Zweiggabel, öffnet ſie und verzehrt den Kern. Ebenſo verfährt er mit Eicheln und Bucheln, die er ebenfalls gern genießt. Wie der Buntſpecht, nicht ſelten in deſſen Geſellſchaft, beſucht er Kirſchpflanzungen, um die dort gereiften Früchte abzupflücen, den Kern zu ſpalten und deſſen Jnhalt zu verzehren. Auch ex frißt Nadelbaumſämereien und öffnet wie der Buntſpecht Kiefernzapfen, ſcheint dies jedo< nux dann zu thun, wenn ihm beliebtere Speiſe mangelt.

Schon zu Ende März oder im April regt ſih der Fortpflanzungstrieb. Fett erſchallt der Wald wieder von dem Geſchrei unſeres Spechtes. Unter fortwährenden Kämpfen mit ſeinen Nebenbuhlern erwirbt er ſih endlih ein Weibchen und ſchreitet nunmehr zur Herſtellung des Niſtraumes, falls ein ſolcher ſi< niht ſhon in dem von ihm bewohnten Gebiete findet. Die Niſthöhlung wird nicht leicht tiefer als 6, oft bis 20 m über dem Boden, bald im Schafte eines Baumes, bald in einem di>en Aſte angelegt. Das runde Eingangsloch iſt ſo eng, daß es den Vogel eben durchläßt, die keſſelförmig erweiterte Niſthöhlung 18—25 cm tief, ſelten tiefer. Die 5—7 kurz eiförmigen, rein weißen, glänzenden, glatten und feintörnigen Eier liegen auf wenigen feinen Holzſpänen am Boden der an den Wänden glatt gearbeiteten Höhle und werden in 15 Tagen abwechſelnd von beiden Eltern bebrütet. Die Jungen ſind, ſolange ihr Federkleid noh niht entwitelt iſt, ebenſo häßliche, unbehilfliche, didtöpfige Geſtalten wie die anderen Spechtarten, wachſen verhältnismäßig langſam und verlaſſen erſt, wenn ſie völlig flugbar ſind, das Neſt. Beide Eltern lieben ihre Brut innig, laſſen ſi< auf den Eiern ergreifen und ſegen ſi<h au< ſpäter rü>haltlos Gefahren aus, die ſie ſonſt meiden.

Marder, Wieſel, Habicht und Sperber verfolgen und fangen au< den Mittelſpecht, Wieſel und andere kleine Raubtiere gefährden die Brut, der unverſtändige Menſch endlich Alte, Junge und die Eier. Da der Mittelſpecht nicht ſcheu iſt, läßt er ſich leicht beſhleichen und dur< nachgeahmtes Klopfen herbeilo>œen, auh auf dem Vogelherde, dem Meiſentanze, auf Leimſtangen oder Kloben fangen und bei geeigneter Pflege wahrſcheinlich ebenſo gut wie der Buntſpecht im Käfige erhalten. J<h ſelbſt habe ihn zu meinem Bedauern no< niemals gepflegt, auh nirgends in Gefangenſchaft geſehen, zweifle jedo<h niht, daß ſeine Behand: lung eben niht größere Schwierigkeiten verurſacht als die des Bunt- oder Kleinſpehtes.

Der dritte in ganz Deutſchland, wenn auch niht allerorten, regelmäßig vorkommende Buntſpecht iſt dex Kleinſpecht oder Gras-, Sperlings- oder Harlekinſpecht, Kleiner Baumha>er, Baumpi>er, Schild-, Bunt- oder Rotſpecht (Dendrocopus minor, Picus minor, hortorum, striolatus, herbarum und ledonucii, Pipripicus minor, Piculus minor, hortorum, crassirostris, pumilus und borealis, Xylocopus minor, Abbildung S. 616), der Zwerg unter unſeren europäiſchen Spechten und eines der Üleinſten Mitglieder ſeiner Familie überhaupt. Der Vorderkopf iſt roſtweißlih, der Scheitel hoh ſcharlachrot; Hinterkopf, ein ſchmaler Längsſtrich am Hinterhalſe, ein vom Schnabel bis hinter und unter die Ohrgegend verlaufender, nah rü>wärts ſih verbreiternder Streifen und alle übrigen Oberteile haben ſ{hwarze, die hinteren Mantelteile, Schultern und die obere Bürzelgegend weiße Grundfärbung, werden aber durh 3—4 ſ{<hwarze Querbinden gezeichnet; Zügel, Schläfe, Kropf und Halsſeiten ſowie die Unterteile ſind unrein weiß, die Kropffedern durch größere, die der Bruſtſeiten dur ſehr ſchmale Schaftſtriche, die unteren Shwanzde>en durc ſchwarze Querbänder geſhmüd>t, die hwarzen Handſchwingen außen mit 4—5 kleinen, die Armſchwingen mit 2 weißen breiten Querfle>en, die größten oberen Flügelde>en und Armſchwingen am Ende mit breiten weißen Spißen geziert, ſo daß ſih auf dem zuſammengelegten Flügel 5 weiße Querbinden darſtellen, die äußerſten Shwanzfedern endlih auf